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Der Chef der Terrorgruppe Isis, Abu Bakr al Bagdadi.
© AFP
Update

Isis-Terror: Iraks Armee wehrt Angriff auf Luftwaffenstützpunkt ab

Isis-Chef Abu Bakr al-Bagdadi hat sich am Samstag erstmal seit langer Zeit in der Öffentlichkeit gezeigt. Nach Polizeiberichten wollte die Terrorgruppe am Sonntag den Luftwaffenstützpunkt Camp Speicher angreifen. Iraks Armee habe den Angriff abwehren können.

Etwas mühsam klettert der füllige Mann die Treppen zur Kanzel in der Al-Nouri-Moschee in Mossul hinauf. Bevor er das Wort ergreift, reinigt er noch einmal Zähne und Gaumen mit einem Miswak-Holz, wie bei ultraorthodoxen Muslimen üblich. Der 44-Jährige ist der wohl meistgesuchte Terrorist der Welt. Schwarzer Turban und schwarzes Gewand sollen ihn ausweisen als direkten Nachfahren des Propheten Mohammed. Eine gute Viertelstunde dauert seine Freitagspredigt in der bedeutendsten Moschee der Stadt, in der sich der bärtige Redner mit fester, klarer Stimme zum „Kalifen aller Muslime“ ausrief und die Gläubigen in aller Welt aufforderte, ihm Gehorsam zu leisten.

Video zeigt die Predigt in Mossul

Für das Milieu der Gotteskrieger ist das am Wochenende auf zwei Websites der Isis-Brigaden hochgeladene Predigtvideo aus Mossul eine bemerkenswerte Premiere. Erstmals zeigte sich Abu Bakr al Baghdadi offenbar leibhaftig bei einer Ansprache, der mysteriöse Chef der schwarzen „Gotteskrieger“, deren blitzartiger Feldzug gegen Bagdad seit dem 10. Juni die ganze Region in Atem hält. Isis hatte am Samstag im Internet das rund 20 Minuten lange Video verbreitet, das angeblich bei seiner Freitagspredigt in Mossul aufgenommen wurde. Die Angaben ließen sich zunächst nicht überprüfen. Irakische Medien hatten am Freitag berichtet, der Isis-Chef sei wahrscheinlich bei einem Luftangriff verletzt worden. Auf dem Video sind jedoch keine Verletzungen zu erkennen.

„Einen gemeinsamen Führer zu bestimmen, ist Pflicht aller Muslime, die jedoch jahrhundertelang missachtet wurde“, deklamierte in Mossul der Isis-Feldherr, der sich künftig „Kalif Ibrahim“ nennen will. Er habe diesen Posten nicht angestrebt. Auch sei er nicht der am besten Geeignete, schmeichelte er seinen Zuhörern, die er gleichzeitig um Rat und Kritik bat. Einen derart kaltblütigen und selbstgewissen Auftritt, im Herzen einer vor wenigen Jahren noch von der US-Armee kontrollierten Millionenstadt wie Mossul, hätte selbst Al-Qaida-Chef Osama bin Laden wohl nicht gewagt.

Einige seiner Zuhörer gaben später an, Bewaffnete hätten sie zum Freitagsgebet in die Al-Nouri-Moschee befohlen. Alle Besucher seien sorgfältig durchsucht und ihnen ihre Plätze angewiesen worden. Sämtliche Mitbeter mussten noch zehn Minuten lang im Inneren ausharren, nachdem al Baghdadi durch einen Seitenausgang verschwunden war. Nach Augenzeugenberichten hatte der Islamisten-Chef die Stadt kurz zuvor in einem großen Fahrzeugkonvoi betreten, mit dem er auch wieder davonraste. Für die wenigen Stunden, die er sich in Mossul aufhielt, waren sämtliche Handynetze in der Region abgeschaltet worden.

Zugleich gingen Isis-Kämpfer mit brachialer Gewalt gegen Andersgläubige und Gegner vor. In Mossul und der Provinz Niniwe begannen Kämpfer der Terrorgruppe Islamischer Staat im Irak, systematisch Heiligtümer, Mausoleen und Gebetshäuser zu zerstören, die Schiiten, sunnitischen Sufis und Christen gehören. Nach Angaben von Bewohnern wurden in Tal Afar und Mossul mindestens sechs schiitische Moscheen gesprengt sowie vier Gräber von Sufi-Heiligen verwüstet, zu denen die Gläubigen pilgerten. In Westen Mossuls hatten acht Tage zuvor noch Dutzende beherzte Männer, Frauen und Kinder eine Menschenkette um das Scheich-Fathi-Mausoleum gebildet und so seine Zerstörung zunächst verhindern können. Doch die „Gotteskrieger“ kamen wieder. Am Samstag sprengten sie den Bau von 1760 mit seinem fein ziselierten Minarett in die Luft. In einem mehrheitlich von Kurden bewohnten Ort richteten Isis-Milizen zehn Menschen hin.

Auch die chaldäische und syrisch-orthodoxe Kathedrale brachten die Extremisten in ihre Gewalt, rissen die Kreuze an den Gebäuden herunter und ersetzten sie durch ihre schwarze Kampfflagge. Seit einer Woche befinden sich zwei Ordensschwestern und drei von ihnen betreute Waisenkinder in der Hand der Terroristen. Der chaldäische Patriarch Louis Sako wandte sich in einem dramatischen Appell an die Entführer und erklärte, die Christen seien keine Partei in den gegenwärtigen Ereignissen. „Wir haben 14 Jahrhunderte lang mit den Muslimen Seite an Seite gelebt. Und wir wollen weiterhin mit ihnen sprechen und zusammenleben."

Die irakische Armee wehrt sich gegen einen Isis-Angriff

Die irakische Armee konnte unterdessen einen weiteren Vormarsch der Isis in Richtung Bagdad vorerst aufhalten. Regierungssoldaten wehrten einen Angriff von Isis-Kämpfern auf den Luftwaffenstützpunkt Camp Speicher nördlich der Stadt Tikrit ab, wie das irakische Nachrichtenportal „Al-Sumeria News“ am Sonntag unter Berufung auf die Polizei vor Ort berichtete. Den Extremisten seien große Verluste zugefügt worden. Über Opfer aufseiten des Militärs gab es keine Angaben. Die Kämpfe dauerten noch an, hieß es weiter.

Tikrit liegt rund 170 Kilometer nordwestlich von Bagdad. Armee und Isis-Milizen kämpfen seit Tagen um die Stadt. Das Militär konnte am Samstag nach eigenen Angaben auch einen Angriff der Aufständischen auf eine wichtige Ölraffinerie in dem Ort Baidschi abwehren. Die Terrorgruppe Islamischer Staat im Irak und in Syrien (Isis) beherrscht große Teile im Norden und Westen des Iraks. Ihr erklärtes Ziel ist der Marsch auf Bagdad. (mit dpa)

Martin Gehlen

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