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Mühldorf am Inn zählt aktuell zu den am stärksten von Corona betroffenen bayerischen Regionen.
© Matthias Balk/dpa

„Wir können uns das nicht erklären“: Inzidenz über 600 – was ist los im Corona-Hotspot Mühldorf?

Im südbayrischen Mühldorf liegt die Inzidenz bei 621. Die Intensivstationen arbeiten am Rand der Kapazität. Ein Interview mit dem Bürgermeister.

Michael Hetzl (Unabhängige Mühldorfer) ist seit 2020 Bürgermeister der Kreisstadt Mühldorf am Inn. Im Landkreis steigt die Sieben-Tage-Inzidenz drastisch an, die 600er Marke ist schon gebrochen.

Herr Hetzl, die 7-Tage Inzidenz in Mühldorf hat die 600er Marke überschritten. Das Inn-Klinikum Mühldorf meldet, die Intensivstation arbeite am Limit und zeitweise waren alle Intensivbetten belegt. Wie erklären Sie sich diesen drastischen Anstieg?
Wir können uns das nicht erklären. Corona ist in der breiten Bevölkerung angekommen. Wir waren schon im Frühjahr in den Top 10 mit den Inzidenzen. Impfen ist die einzige Maßnahme, die der drastischen Situation entgegenwirken kann. Es ist traurig, dass sich viele momentan nicht überzeugen lassen von einer Impfung. Wir tun alles, um die Menschen zur Impfung gegen Corona zu animieren, aber wir stoßen auf verhärtete Fronten.

Grundsätzlich glaube ich, dass hier die Kommunikation auf Bundes- und Landesebene nicht optimal war und damit die Fronten weiter verhärtet wurden. Zum Beispiel wirkte es damals für viele so, als habe die Politik die Stiko zur Impfempfehlung für Jugendliche gedrängt. Solche kommunikativen Probleme mussten wir jetzt bei der Impfung ausbaden.

Konnten die Infektionsherde und Spreading-Events ausfindig gemacht werden?
Die Rückverfolgung der Infektionsketten funktioniert. Aber es können keine Superspreaderevents ausfindig gemacht werden. Die Inzidenz ist so hoch, dass es in der breiten Masse immer wieder lokale kleine Ausbrüche gibt. Der einzig größere individuelle Ausbruch betraf rund 100 Personen.

Ich glaube aber auch, dass die Situation eine Symptomatik der ländlichen Struktur ist. Ländliche Kreise in Südbayern sind gerade stark betroffen. Nach meinem persönlichen Dafürhalten kann man das Infektionsgeschehen in einer Großstadt oftmals besser kontrollieren, als wenn Sie einige einzelne kleine Kommunen auf dem Land haben. Auf dem Land sind private Veranstaltungen nicht so schnell zu erreichen für die kontrollierende Polizei oder das Ordnungsamt. Da unterscheiden sich Stadt und Land.

Mühldorf Am Inn: In einem Café wird auf die Anwendung der verschärften „3G+ Regeln“ hingewiesen. Mühldorf am Inn zählt aktuell zu den am stärksten von Corona betroffenen bayerischen Regionen.
Mühldorf Am Inn: In einem Café wird auf die Anwendung der verschärften „3G+ Regeln“ hingewiesen. Mühldorf am Inn zählt aktuell zu den am stärksten von Corona betroffenen bayerischen Regionen.
© Matthias Balk/dpa

Der Chefarzt der Pneumologie des Inn-Klinikums, Gregor Zimmermann, sagte dem Tagesspiegel man bereite sich auf einen Anstieg der Covid-19-Patient:innen vor.
Man glaubt immer bei hohen Infektionszahlen: „Irgendwann muss es durch sein“. Das haben wir schon im Frühjahr geglaubt. Jetzt sind wir wieder in neue Höhen aufgestiegen. Es ist schwer zu sagen, ob der Anstieg stoppt oder nicht.

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Welche Maßnahmen will der Ort Mühldorf daraufhin treffen, um das Infektionsgeschehen einzudämmen? Kita und Schulen sind offen.
Es gibt gerade keine grundsätzlichen Einschränkungen. Außer lokale Quarantänemaßnahmen, z.B. in den Schulen. Auch versuchen wir Veranstaltungen in den Einrichtungen deutlich kleiner zu halten. Die Gruppen sind in den Kindergärten strikt getrennt. Schulschließungen müssten vom Kultusministerium angeordnet werden und kleine Kinder treiben nicht die Corona-Infektionen in Mühldorf. Wir müssen jetzt daran appellieren, dass die Regeln, wie 3G, 2G, Abstände konsequent eingehalten werden. Auch der Gastronom muss sich seiner Verantwortung zur Einhaltung der Maßnahmen bewusst sein…

[Lesen Sie mehr: Wer den Booster bekommt –Auffrischungsimpfung gegen steigende Inzidenzen (T+)]

Diese Appelle scheinen angesichts der Lage nicht zu helfen.
Ich bin der Überzeugung, dass wir das schaffen. Kontrolle sollte immer der letzte Schritt sein. Wir sind mit dem Gesundheitsamt im Gespräch über Kontrollen und Bußgelder, um die Einhaltung der Corona-Maßnahmen durchzusetzen.
Wir hatten in einem Club auch Probleme mit gefälschten Testzertifikaten gehabt. Es gibt so viele verschiedene, das sind die Kontrollen an den Clubs manchmal überfordert. Also auch das Kontrollieren ist nicht immer so einfach.

Könnte eine Kompetenzverschiebung vom Land zu den Bürgermeister:innen, Mühldorf vor einem erneuten Anstieg wie diesem schützen?
Ich halte eine Kompetenzverschiebung nicht für richtig. Sie würden zwischen den Landkreisen unterschiedliche Regelungen erhalten. Das finde ich nicht zielführend. Wir in Mühldorf erwägen aber die 3G+ Regel für unsere städtischen Veranstaltungen Heißt: geimpft, genesen, getestet nur mit PCR-Test. Das könnte eine Maßnahme sein, damit sowas nicht wieder passiert.

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