Nach dem Mord an Jan Kuciak: Investigativjournalistin: "Es gibt noch viel aufzuklären"
Die tschechische Reporterin Pavla Holcova wirft der slowakischen Polizei vor, nicht konsequent genug im Fall des ermordeten Enthüllungsjournalisten Jan Kuciak zu ermitteln.
Pavla Holcova ist eine freundlich lächelnde Frau. Aber dass die Geschichte, die sie zu erzählen hat, einen traurigen Hintergrund hat, wird schon durch den Button mit der Aufschrift „#All for Jan“ auf ihrem Rucksack deutlich. Der Sticker erinnert an ihren Kollegen Jan Kuciak, der im Februar in seinem Haus im westslowakischen Dorf Velka Maca mit zwei Schüssen ins Herz getötet wurde.
Die Tschechin findet, dass es noch weiteren Aufklärungsbedarf gibt
Der Enthüllungsjournalist Kuciak hatte über EU-Agrarförderungen recherchiert, die sich mutmaßliche italienische Mafia-Angehörige mit Verbindungen zur slowakischen Regierung erschlichen hatten. Die Tschechin Holcova, die Gründerin des Tschechischen Zentrums für Investigativjournalismus, half Kuciak vor seinem Tod bei den Recherchen über den Geschäftsmann Antonino Vadala, der als Drahtzieher in dem Betrugsskandal verdächtigt wird.
Kuciaks posthum veröffentlichte Reportage führte letztlich zum Sturz des slowakischen Regierungschefs Robert Fico. Aber damit ist in den Augen von Pavla Holcova noch längst nicht alles im Reinen. Vor allem angesichts der verschachtelten Besitzverhältnisse vieler slowakischer Unternehmen gebe es weiterhin Recherchebedarf, findet die 37-Jährige. "Es gibt noch viel aufzuklären", sagt sie.
Anschuldigungen der slowakischen Polizei
Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass sie weiterhin ihrer Arbeit als Investigativreporterin nachgeht. Nach Kuciaks Tod stand sie vorübergehend unter Polizeischutz. Im vergangenen Monat wurde sie von der slowakischen Polizei zu einer Vernehmung geladen. Die Journalistin aus Prag folgte der Vorladung der slowakischen Antikriminalitätsagentur Naka – in dem Glauben, bei der Aufklärung des Mordes an ihrem Kollegen behilflich sein zu können. Was dann folgte, schockiert sie bis heute: Acht Stunden lang wurde sie von drei Beamten verhört. „Sie hatten einige verrückte Fragen“, erinnert sich Holcova. Einmal wollten sie von ihr wissen, ob sie für den Geheimdienst arbeite. Ein anderes Mal deuteten sie an, sie habe von der Bedrohung Kuciaks gewusst, aber nichts unternommen, um seinen Tod zu verhindern.
Ihr Mobiltelefon, dass sie bei der Vernehmung abgeben musste, bekam sie erst vergangene Woche zurück. Die Journalistin kritisiert, dass die slowakischen Ermittler lediglich bei ihr das Handy eingezogen haben. "Es war wirklich überraschend, dass ich die einzige Person bin, deren Mobiltelefon beschlagnahmt wurde", sagt sie. Holcova wünscht sich, dass die Polizei einen ähnlichen Eifer an die Tag legen würde, wenn es etwa um den slowakischen Unternehmer Marian Kocner gehe, über dessen dubiose Geschäfte Kuciak berichtet hatte.