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Protest gegen die Bilderberg-Konferenz in Dresden
© dpa/Sebastian Kahnert

Protest gegen Bilderberg-Konferenz in Dresden: Intransparenz heißt das neue Böse

Etliche Gruppen protestieren gegen die Bilderberg-Konferenz in Dresden. Die Geheimniskrämerei der Tagung empört die Kritiker. Warum eigentlich? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hans Monath

Es ist wieder einmal so weit: Les extrêmes se touchent, die äußersten Gegensätze berühren sich – und das alles nur, weil im Dresdner Taschenbergpalais bis Sonntag Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik und Finanzen ungestört über Weltprobleme beraten wollen. Gegen die international aufgestellte Bilderberg-Konferenz sind 20 Kundgebungen und Mahnwachen angemeldet, von der NPD über Pegida und AfD bis zu linken Gruppen wie „Anonymous“ und der „Roten Fahne/Antifaschistischen Aktion“.

Was die Koalition der politischen Ränder empört, hat der Linken-Bundestagsabgeordnete Axel Troost auf die Formel gebracht: „Es hat den Beigeschmack, dass hier im Geheimen gemunkelt wird. Keiner weiß, was da wirklich passiert.“ Andere Kritiker gehen noch weiter und warnen vor einer geheimen Weltregierung, die finstere Pläne schmiede.

Tatsächlich sprechen die 130 Teilnehmer, darunter die Minister Wolfgang Schäuble, Thomas de Maiziere und Ursula von der Leyen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Für die Konferenz, die seit 1954 zusammenkommt, gilt die „Chatham House Rule“, wonach diskutierte Thesen hinterher in der Öffentlichkeit verwendet werden, aber niemandem persönlich zugeschrieben werden dürfen. Die Regel ist auch in Berliner Thinktanks beliebt, weil vor allem Politiker nur dann ungeschützt neue Gedanken ausprobieren können, wenn sie nicht sofort dafür öffentlich haftbar gemacht werden.

Gut gesicherter Tagungsort der umstrittenen Bilderberg-Konferenz: Das Taschenbergpalais in Dresden.
Gut gesicherter Tagungsort der umstrittenen Bilderberg-Konferenz: Das Taschenbergpalais in Dresden.
© dpa

Der Protest gegen das Treffen in Dresden sollte nicht nur Extremismusforscher beschäftigen. Denn das Misstrauen gegen jede Form von Intransparenz in Politik und Gesellschaft hat längst die Mitte infiziert – nach dem Motto: Wo nicht sofort alles einsehbar ist, muss etwas faul sein. Folglich müssen Managerbezüge offengelegt werden, die verschwiegene Arbeit der Diplomatie steht seit dem Wikileaks-Coup unter Verdacht, und das Freihandelsabkommen TTIP gilt schon allein deshalb als finster, weil nicht jeder einzelne Verhandlungsschritt sofort in einem Greenpeace-Leseraum am Brandenburger Tor einsehbar ist.

Mehr Transparenz kann sicher Korruption oder Menschenrechtsverletzungen erschweren und auch Teilhabe ermöglichen. Als Allheilmittel, um Vertrauen in die Politik zurückzugewinnen, taugt sie nicht. Denn Grenzen gegen „Transparenzterror“ (so der Berliner Philosoph Byung-Chul Han) bleiben weiter notwendig. Viele politische Entscheidungsprozesse, gerade in Demokratien, brauchen einen geschützten Raum, wenn sie gute Ergebnisse bringen sollen. Allein das ist Grund genug, mit mehr Selbstbewusstsein dem Generalverdacht entgegenzutreten, wonach Intransparenz das neue Böse schlechthin sein soll.

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