Schnelles Internet: Internet im Schneckentempo: Weder vertretbar noch zeitgemäß
Jeder Bürger hat einen Anspruch auf einen zeitgemäßen Internetanschluss, sagt die Telekommunikationsexpertin der Verbraucherzentrale Sachsen.
Dem Gesetz nach hat jeder Bürger derzeit nur einen Anspruch auf einen "funktionalen Internetzugang". Bundesnetzagentur unternimmt jedoch bislang nichts, um diesen wenigstens auch durchzusetzen. Und auch die Politik scheut vor einem Breitband-Universaldienst zurück. Kein einziges der Breitbandziele, die wechselnde Regierungen seit 2009 ausgerufen haben, ist bislang erreicht worden. Es ist demnach die vorrangigste Aufgabe der Bundesregierung, alle Haushalte mit einem soliden Breitbandanschluss zu versorgen, der nicht unter 10 MB haben darf.
Bislang ist keines der Breitbandziele, die wechselnde Regierungen seit 2009 aufgerufen haben, erreicht worden
Auf dem Land surfen derzeit noch immer mehr als drei Prozent der Nutzer mit nicht einmal zwei Megabit. Eine sinnvolle Nutzung des Netzes in seiner heutigen Konstitution und Bedeutung ist mit diesem Schneckentempo nicht möglich. Zudem zeigen aktuelle Studien, dass junge Nutzer inzwischen zwar auf einen Fernseher, nicht aber auf das Internet verzichten könnten. Und für viele Unternehmen ist ohne einen Netzzugang sogar ihre Existenz nicht mehr denkbar. Das ist insbesondere für Firmengründer in unversorgten Regionen, sogenannten Weißen Flecken, fatal. Die Verbraucherzentrale Sachsen fordert deshalb eine Universaldienstverpflichtung, die das Recht auf einen technologieneutralen Breitbandanschluss mit mindestens 10 Megabit für alle schafft. Einer flächendeckenden, soliden Breitbandversorgung schreiben wir eine weitaus größere Bedeutung als einer Versorgung mit mindestens 50 Megabit im Download bis 2018, so wie es im Koalitionsvertrag steht.
Dem kabelgebundenen Internet ist eindeutig der Vorzug gegenüber einem Ausbau der drahtlosen LTE-Technologie zu geben.
In diesem Zusammenhang ist aus unserer Sicht auch dem kabelgebundenen Internet eindeutig der Vorzug gegenüber einem Ausbau der drahtlosen LTE-Technologie zu geben. Insbesondere das DSL-Kabel bietet dabei den Vorteil, kein Shared Medium zu sein, also kein Übertragungsmedium, dessen Kapazität sich mehrere Nutzer teilen müssen. Die Bandbreite, die beim Endkunden ankommt, ist deshalb nicht entscheidend von der Zahl der Nutzer abhängig. Der Koalitionsvertrag hingegen bekennt sich ausdrücklich zu LTE und damit zu einem Ausbau der Breitbandversorgung via Funk. Funklösungen sollten jedoch nur Brücken bei der Versorgung von Gebieten sein, für die über kurz oder lang keine Kabellösung zur Verfügung steht. Zwar gibt es eine Versorgungsauflage von 50 MBit/s, die die Mobilfunkunternehmen einhalten müssen, wenn sie für die Funkfrequenzen bieten, doch diese gilt nur für den Antennensektor. Das heißt, wenn im Funkmast 50 MBit/s ausgestrahlt werden, sind auf dem Smartphone bestenfalls zehn MBit/s verfügbar. Eine flächendeckende Versorgung mit 50 MBit/s ist auf diesem Weg nicht zu erreichen. Zudem gilt die Versorgungsauflage nicht wirklich weitreichend, sondern nur für circa 95 Prozent der Fläche (97 Prozent der Haushalte pro Bundesland).
Die weißen Flecken werden mit der aktuellen Breitbandstrategie bleiben
Die weißen Flecken auf der Landkarte ohne funktionalen Internetzugang wird es also mit der aktuellen Breitbandstrategie auch weiterhin geben. Wir halten allerdings den Zustand, dass für drei Prozent der Verbraucher in den ländlichen Regionen derzeit nicht einmal Übertragungsgeschwindigkeiten von 3 MBit/s zur Verfügung stehen, für nicht hinnehmbar.
Dass die 2,7 Milliarden Euro, die die Bundesregierung für die digitale Infrastruktur zur Verfügung stellen wird, allein nicht ausreichen werden, um diese Ziele zu erreichen, liegt dabei auf der Hand. Daher sind kreative Lösungen und Kooperationen verschiedenster Stellen gefragt. Zur Realisierung einer digitalen, kabelgebundenen Infrastruktur müssen insbesondere Kommunen Weitsicht beweisen sowie sensibilisiert und befähigt werden, Ausbaukräfte zu bündeln: Werden Rohre und Leitungen verlegt, ist es naheliegend, zugleich Breitbandkabel bzw. zumindest Leerrohre in die geschaffenen Schächte einzubringen anstatt die Straßen und Wege wenig später erneut aufzureißen.
Die Kommunen müssen verstärkt auf Betreibermodelle setzen
Außerdem müssen die Kommunen verstärkt auf Betreibermodelle setzen, bei denen Stadtwerke und andere kommunale Gesellschaften das Netz selbst in der Hand behalten und verpachten. Für die Finanzierung sollten dabei die Erlöse zum Einsatz kommen, die aus der anstehenden Versteigerung der Mobilfunkfrequenzen hervorgehen. Zum anderen muss dringend über eine Umlagefinanzierung nachgedacht werden, bei der die Gewinne aus den Ballungsgebieten die Versorgung in der Fläche subventionieren.
Auch viele öffentliche W-Lan-Netze gehören zur Versorgung. Der aktuelle Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Störerhaftung wird zu noch weniger W-Lan führen.
Zu guter letzt gehört zur Gewährleistung einer soliden digitalen Infrastruktur auch eine gute Versorgung mit öffentlichem W-Lan. Hier stellt sich Deutschland im internationalen Vergleich nicht modern und weltoffen auf. Derzeit leiden die W-Lan-Betreiber unter kaum begrenzbaren Haftungsrisiken. Der aktuelle Gesetzesentwurf zur Störerhaftung im W-Lan verschärft die Haftung für W-Lan-Betreiber hingegen sogar. Das führt zu noch weniger öffentlichem WLAN statt endlich die Abdeckung zu verbessern.
Dr. Katja Henschler ist Referatsleiterin im Bereich Telekommunikation und Medien bei der Verbraucherzentrale Sachsen.
Katja Henschler