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In Zukunft strafbar. Nicht nur den Schmugglerbanden, sondern auch den Flüchtlingen selbst drohen durch das geplante Gesetz mehrjährige Gefängnisstrafen.
© Gareth Fuller/dpa

Britische Härte: Innenministerin Patel will die Asylpolitik drastisch verschärfen

Nicht nur Schleusern, sondern auch den illegalen Einwandern drohen lange Haftstrafen. Hilfsorganisationen sind alarmiert.

Sofortige Haft für Flüchtlinge ohne Visum, Bestrafung unkooperativer Herkunftsländer, lebenslange Freiheitsstrafen für Menschenschmuggler – mit drakonischer Härte geht die britische Regierung gegen Asylbewerber und Migranten vor. Das bestehende Asylsystem sei „kaputt“, sagte Innenministerin Priti Patel am Dienstag zum Auftakt des Gesetzgebungsverfahrens im Unterhaus. Wohlfahrtsorganisationen und das britische Rote Kreuz melden Bedenken an.

Im EU-Referendumskampf 2016 diente die Polemik gegen die ungeordnete Zuwanderung als eines der Hauptargumente der Brexit-Kampagne. Weil die „Kontrolle unserer Grenzen“ zu den vermeintlichen Wohltaten des mittlerweile vollzogenen Austritts zählt, steht für Brexit-Vormann Johnson und die zuständige Ministerin die Glaubwürdigkeit auf dem Spiel.

Dabei ist die Zahl der Asylbewerber im vergangenen Jahr auf knapp 30 000 gefallen. In Umfragen spielt die Einwanderung seit Jahren eine deutlich geringere Rolle als Gesundheitssystem, Schulen und Kriminalität.

Überfüllte winzige Schlauchboote

Peinlich für die stramm rechte Politikerin Patel bleiben jedoch immer neue TV-Bilder komplett überfüllter winziger Schlauchboote, mit denen Flüchtlinge aus Syrien und anderen Staaten des Nahen und Mittleren Ostens die Fahrt über den Ärmelkanal wagen. Dieser weist zwischen Calais und Dover eine Breite von nur 34 Kilometern auf.

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In der Nähe der Hafenstadt Calais, die gleichzeitig Ausgangspunkt für den Kanaltunnel nach Folkestone ist, versammeln sich seit vielen Jahren immer wieder Tausende von Migranten, um nach Großbritannien zu kommen. Mit der Organisation der häufig Monate oder sogar Jahre dauernden Reisen nach Europa verdienen organisierte Schlepperbanden bis zu fünfstellige Summen pro Flüchtling.

Ausdrücklich lehnen die Flüchtlinge Asyl in Frankreich oder anderen EU-Ländern ab, ihr Traumziel bleibt die Insel: Zum Einen sprechen sie – mal besser, mal schlechter – die Weltsprache Englisch, zum Anderen bieten existierende ethnische Minderheiten, zumal in der Vielvölkerstadt London, Schutz und Zugang zum Arbeitsmarkt und sei es auch häufig nur in Schwarzarbeit.

8000 Flüchtlinge kamen 2020über den Kanal

8000 Menschen schafften die Überfahrt von der französischen Kanalküste im vergangenen Jahr, in der ersten Hälfte 2021 waren es 3500. Einer Statistik der Grenzschutzbehörde Border Force zufolge waren 87 Prozent der Migranten Männer, drei Viertel gehörten zur Altersgruppe zwischen 18 und 39 Jahren.

Britische Innenministerin Priti Patel beim Verlassen von 10 Downing Street, dem Amtssitz des Premierministers.
Britische Innenministerin Priti Patel beim Verlassen von 10 Downing Street, dem Amtssitz des Premierministers.
© REUTERS

Im vergangenen Jahr gründete Patel eine neue Stabsstelle für die „klandestine Bedrohung im Kanal“; als erster Leiter fungierte ein früherer Marineoffizier, der Erfahrung bei der Bekämpfung von kleinen Booten gesammelt hatte. Das neue Gesetz soll nun die neue Politik der Härte juristisch untermauern. Dazu zählen auch bisher nicht näher bezeichnete Sanktionen gegen Herkunftsländer wie Afghanistan oder Sudan, die sich der Rücknahme ihrer Staatsangehörigen verweigern.

Dem „ekelhaften Geschäft krimineller Banden“ müsse das Handwerk gelegt werden, fordert Patel: „Zugang zum britischen Asylsystem sollte von der Notlage abhängen, nicht von der Zahlungsfähigkeit.“ Zur Abschreckung sieht das neue Gesetz nicht nur vor, das Strafmaß für Menschenschmuggel von bisher 14 Jahren Freiheitsstrafe auf lebenslang zu erhöhen. Auch die illegalen Zuwanderer selbst sollen bis zu vier Jahre lang im Knast landen.

Eine Gruppe von Flüchtlingen wird nach einem Zwischenfall mit einem kleinen Boot im Ärmelkanal nach Dover gebracht.
Eine Gruppe von Flüchtlingen wird nach einem Zwischenfall mit einem kleinen Boot im Ärmelkanal nach Dover gebracht.
© dpa

Einer Analyse der Hilfsorganisation Refugee Council zufolge würden auf diese Weise in Zukunft bis zu 9000 bisher als Flüchtlinge anerkannte Migranten kriminalisiert. Refugee-Council-Chef Enver Solomon fürchtet, das schon bisher „ineffiziente System werde noch teurer und noch langsamer“.

Das Gesetz sei „gegen Flüchtlinge“, sagen NGOs

Das Gesetz sei „gegen Flüchtlinge“ gerichtet, pflichtet ihm Steve Crawshaw von der Hilfsorganisation Freedom from Torture (Freiheit von Folter) bei. Schwere Bedenken erhebt auch Mike Adamson vom britischen Roten Kreuz: „Hinter Bezeichnungen wie ‚Flüchtling’ oder ‚Asylant’ verbergen sich Menschen, die einfach nur in Sicherheit leben und zur Gemeinschaft beitragen wollen.“

Im vergangenen Jahr hatte Patel die Einrichtung von Flüchtlingszentren fernab der britischen Insel geprüft. Spötter sprachen von einem „Himmelfahrtskommando“, weil zu den in Betracht gezogenen Standorten auch Ascension Island, auf Deutsch Himmelfahrtsinsel, im Südatlantik zählte.

Offenbar stehen Experten des Innenministeriums in engem Kontakt mit Kolleginnen in Dänemark. Dessen Regierung scheint ähnlich wie Patel Auffangzentren für unerwünschte Einwanderer fernab des eigenen Territoriums zu erwägen, wie Australien sie schon seit vielen Jahren betreibt.

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