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Abgelehnte Asylbewerber steigen in ein Flugzeug.
© dpa/ Daniel Maurer

Konferenz in Kiel: Innenminister streiten über Abschiebungen in Krisengebiete

Die Taliban kontrollieren wieder große Teile in Afghanistan. Sicherheitskräfte werden in größerer Zahl getötet. Was heißt das für Abschiebungen aus Deutschland?

Zwischen den Innenministern von Bund und Ländern ist am ersten Tag ihrer Frühjahrskonferenz in Kiel ein Streit um Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien entbrannt. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) forderte am Mittwoch alle Länder auf, in Zukunft nicht nur Straftäter, islamistische Gefährder und Menschen, die über ihre Identität gelogen haben, nach Afghanistan abzuschieben.

„Nur wenn abgelehnte Asylbewerber ohne Bleiberecht konsequent zurückgeführt werden, kann die Akzeptanz unseres Asylsystems in der Gesellschaft dauerhaft erhalten werden“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Die Ausländerbehörden seien auch bei nicht straffälligen, vollziehbar ausreisepflichtigen afghanischen Staatsangehörigen „bundesgesetzlich verpflichtet, die Ausreiseverpflichtung zu vollziehen“. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe „ausdrücklich bestätigt, dass Abschiebungen nach Afghanistan wieder ohne Einschränkung möglich sind“.

Zu dem Vorstoß der unionsgeführten Länder und Baden-Württembergs, neben Gefährdern und Schwerverbrechern auch andere Flüchtlinge verstärkt abzuschieben, werde es zumindest so lange keine Zustimmung der SPD-Ressortchefs geben, bis der Lagebericht des Auswärtigen Amtes eine akzeptable Sicherheitslage erkennen lasse, hatte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius zuvor erklärt. „Das ist ein Vorschlag, den wir aktuell ablehnen werden“, sagte der Sprecher der Gruppe der SPD-Innenminister.

Aktuell schieben nur Bayern und Sachsen regelmäßig auch Menschen nach Afghanistan ab, die weder islamistische Gefährder noch Straftäter sind. In Einzelfällen tun dies auch Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt.

„Schon jetzt ist jede Abschiebung nach Afghanistan unverantwortlich. Pläne, die darauf hinauslaufen, auch Frauen und Kinder an den Hindukusch zurückzuschicken, verspotten die Menschenrechte“, erklärte die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke. Die Grünen-Bundestagsfraktion forderte ein Ende der Abschiebungen nach Afghanistan und in den Sudan.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und die Bundesregierung müssten „endlich aufhören, innenpolitisch motiviert und ohne Achtung der realen Situation den Ausreisedruck in höchst unsichere Länder immer weiter zu erhöhen“, sagte Luise Amtsberg, Sprecherin der Grünen-Fraktion für Flüchtlingspolitik. Dies gelte für Afghanistan und Syrien. „Aufgrund der Eskalation im Sudan appellieren wir an die Innenministerkonferenz, auch hier ein Abschiebemoratorium zu beschließen“, fügte sie hinzu.

Nach Syrien wird bislang aus Deutschland niemand abgeschoben. Es gibt allerdings aus einigen Bundesländern den Wunsch, auszuloten, ob das Abschiebungsverbot auch für Unterstützer des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad und für Intensivstraftäter in Zukunft uneingeschränkt gelten soll. Überlegungen, für syrische Straftäter oder Gefährder aufnahmebereite Drittstaaten zu suchen, wurden noch nicht ernsthaft verfolgt.

Verlängerung des Abschiebestopps für Flüchtlinge nach Syrien

Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) sagte der dpa, er stimme der geplanten Verlängerung des Abschiebestopps für Flüchtlinge nach Syrien zwar zu. Es dürfe sich aber nicht um einen Automatismus handeln. „Wir fordern den Bund deshalb auf, die Lage in Syrien genau im Blick zu behalten.“ Derzeit stelle das Auswärtige Amt in Syrien noch schwere Menschenrechtsverletzungen fest. „Sobald es vertretbar ist, sollten wir damit anfangen, Straftäter, Gefährder, Anhänger des Assad-Regimes und jene, die in der Heimat Urlaub machen, dorthin abzuschieben“, erklärte der Minister.

Vor dem Tagungshotel der Innenministerkonferenz in Kiel demonstrierten am Mittwochabend mehrere Hundert Menschen gegen Abschiebungen in Krisengebiete.

Weitere Themen des dreitägigen Treffens sind Clankriminalität, die Kosten für die Sicherung von Fußballspielen, die Auswertung „digitaler Spuren“ sowie der Umgang mit IS-Rückkehrern.

Seehofer trat Befürchtungen vor einem Verlust von Privatsphäre durch behördliche Zugriffe auf Daten digitaler Sprachassistenten entgegen. „Wir wollen unter keinen Umständen Kinderzimmer überwachen“, sagte Seehofer am Mittwochabend vor Beginn der Konferenz in Kiel. Die Politik dürfe aber nicht zusehen, wenn über das Internet Verbrechen begangen würden, sagte Seehofer. Die Politik stehe erst am Anfang der juristischen Diskussion. Alle Überlegungen müssten uneingeschränkt mit dem Grundgesetz vereinbar sein. Im Zweifel gelte dabei der Grundsatz „lieber mehr auf der Seite der Freiheit der Bürger als auf der Seite der Überwacher“.

In einem Antrag Schleswig-Holsteins zur Konferenz heißt es: Digitalen Spuren komme „eine immer größere Bedeutung“ zu. Daher müssten die Strafverfolgungsbehörden in der Lage sein, „digitale Spuren zu erkennen, zu sichern und auszuwerten“. Schleswig-Holsteins Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) betonte jedoch im Vorfeld, es gehe bei der Debatte nicht um neue Rechtsgrundlagen für die Polizei. (dpa)

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