Sieg der Hindu-Hardliner: "Indien wird MODI-fiziert"
Die größte Demokratie der Welt hat gewählt - und ihre Kongresspartei abgestraft. Bei den Parlamentswahlen in Indien gewinnen die Hindu-Nationalisten um Narendra Modi die absolute Mehrheit - doch manche fürchten nun das Erwachen eines Diktators.
Der Oppositionspolitiker Narendra Modi und seine Verbündeten haben bei der Parlamentswahl in Indien Zwischenergebnissen zufolge eine absolute Mehrheit erzielt. Seine nationalistische Volkspartei BJP und weitere Parteien kamen auf 309 der Sitze, wie der Fernsehsender NDTV am Freitag berichtete. Für die absolute Mehrheit sind 272 nötig - somit könnte Modi erstmals seit 1984 wieder einen Erdrutschsieg in Indien einfahren. Damals gewann Rajiv Gandhi, Sohn der ermordeten Premierministerin Indira Gandhi, mit der Kongresspartei INC.
Diese Partei wurde nun abgewählt. Der INC könnte nach aktuellen Auszählungen nur 72 Sitze erhalten. „Wir akzeptieren den Willen der Wähler, heißen ihn willkommen und sehen unsere Niederlage ein“, sagte der führende Kongresspolitiker Satyavrat Chaturvedi laut der Nachrichtenagentur IANS am Freitag. Parteisprecher Rajeev Shukla sagte dem Nachrichtensender NDTV: „Die Trends sind sehr enttäuschend. Wir steuern auf das schlechteste Ergebnis in sehr vielen Jahren zu.“ Chaturvedi fügte hinzu, der inoffizielle Spitzenkandidat Rahul Gandhi, Sohn von Rajiv, sei nicht allein verantwortlich. „Es ist unser gemeinsames Versagen.“ Erste offizielle Ergebnisse zeigten, dass die Kongresspartei in nur 49 von 514 teilweise ausgezählten Wahlkreisen vorne liegt.
Narendra Modi: Vom Teeverkäufer zum Premier eines Milliardenstaates
Sollte sich der Trend der Zwischenergebnisse bestätigen, kann der 63-jährige Modi nicht nur Ministerpräsident werden, sondern auch wichtige Kabinettsposten wie Finanzen, Inneres oder Verteidigung mit Vertrauten besetzen. Sein erklärtes Ziel ist es, die Wirtschaft anzukurbeln, Arbeitsplätze zu schaffen und mehr Geld in die Energie-, Straßen- und Schienennetze zu stecken. Der Gandhi-Clan und seine INC-Partei machten in den letzten Jahren nur noch durch Korruptionsskandale und einer laxen Reformpolitik von sich reden. Viele Inder wünschen sich die wirtschaftliche Tatkraft Modis herbei - dieses Macho-Politikers, der von unten kommt und es mit den Oberen aufnimmt.
Modi ist seit 2001 Regierungschef des Bundesstaates Gujarat. Er modernisierte die Verwaltung des maroden Bundesstaates und kurbelte die Wirtschaft nach einem verheerenden Erdbeben an. Zwei Mal wählten ihn die Menschen in Gujarat wieder, und gaben ihm so die Weihen für das höchste indische Amt. Modi selbst ist ein ein Knabe aus einer unteren Kaste, der seine ersten Rupien als Teeverkäufer verdient und nun Premierminister eines Milliardenstaates wird. Das ist die Art von Geschichte, wie sie in Indien millionenfach denkbar ist, millionenfach erprobt wird - doch selten zum Erfolg führt. Zu sehr steht Indiens Wirtschaft im chinesischen Windschatten, zu stark drückt das Kastensystem immer noch auf die Gesellschaft. Das es einer wie Modi geschafft hat, schenkt nun vor allem der Jugend neue Hoffnung.
Modi duldete ein Massaker an Muslimen - nun fürchten einige die Geburt eines Diktators
Doch nicht alle sind mit Modi einverstanden. In seiner Amtszeit haben Hindu-Mobs im Frühjahr 2002 in Gujarat hunderte Muslime massakriert, nachdem zuvor Extremisten einen Zug mit hinduistischen Pilgern in Brand setzten. Über 200 Hindus und knapp 800 Muslime kamen bei den Unruhen ums Leben. Modi selbst schaute weg - Gerichte sprachen ihn von jeglicher Verantwortung frei. Doch viele glauben, dass der Hindi-Nationalist das Massaker stillschweigend geduldet hat. Die USA verweigerte ihm 2005 die Einreise wegen "Verantwortlichkeit für schwere Verletzungen der Religionsfreiheit".
Der Nationalist selbst gefällt sich in der Rolle des starken Mannes. Die Mehrheit im Lande - 80 Prozent - sind Hindus. Ständige Grenzkonflikte mit dem muslimischen Nachbarn Pakistan schüren Ressentiments. Die nun siegreiche BJP strickt daraus eine Art fundamentalistische Leitkultur: Hinduismus wird nicht länger als Religion gesehen, sondern als Herzblut des Landes. Für Christen und Muslime ist nur noch wenig Platz im Land. Die Anhänger nennen ihre noch junge Bewegung Hindutva. Analysten sorgen sich nun, Narendra Modi könnte zur Spitze der Hindutva und zu einem Diktator werden.
Das Land werde "MODI-fiziert" jubeln die Anhänger
Der Mehrheit im Land sind solche Gedanken jedoch fern. Auf den sozialen Netzwerken wird der Sieg wie eine Erlösung gefeiert, Modi selbst hat eine digitale "Siegeswand" eingerichtet, auf der sekündlich Glückwünsche aufpoppen. Anhänger freuen sich dort auf ein "korruptionsfreies" Indien und auf einen neuen starken Mann - Indien werde "MODI-fiziert". Ein anderer schreibt: "Modi führt. Indien führt. Die Rupie führt." Tatsächlich haben ausländische Investoren in Erwartung eines Sieges im vergangenen halben Jahr 16 Milliarden Dollar in indische Aktien und Anleihen angelegt. Der wichtigste Aktienindex des Landes, SGX Nifty, lag am Freitag um mehr als vier Prozent im Plus.
Bei der Wahl haben mehr als eine halbe Milliarde Menschen ihre Stimme mit Hilfe von elektronischen Wahlmaschinen abgegeben. Die 1,8 Millionen Maschinen werden nach und nach geöffnet und per Knopfdruck werden die Ergebnisse ausgelesen. Die Wahlbeteiligung lag mit 66 Prozent so hoch wie nie zuvor in Indien. Insgesamt hatte sich die Abstimmung über fünf Wochen hingezogen, damit Wahlhelfer die gigantische Abstimmung organisieren und Sicherheitskräfte die Wahllokale bewachen konnten. Über 8000 Kandidaten waren angetreten.
(mit Reuters/dpa)