Indien: Die Stunde der Prinzessin Priyanka Gandhi
Indiens Medien feiern sie, die Armen liegen ihr zu Füßen und der politische Gegner fürchtet sie: Priyanka Gandhi ist der neue Politstar – ein Wahldebakel ihrer Partei wird sie aber kaum abwenden.
Die Medien überschlagen sich fast vor Begeisterung. „Ihre Aura lässt die Luft knistern und niemand bleibt unberührt“, schwärmt „Mail today“. „Priyanka wird absolut vergöttert.“ Indien hat einen neuen Politstar. Lange überließ Priyanka Gandhi ihrem älteren Bruder Rahul das Rampenlicht. Doch nun stiehlt sie ihm im Wahlkampf unversehens die Schau. „Sie ist ein Sturm, sie ist eine neue Indira Gandhi“, skandieren Menschen. Die 42-jährige ist der letzte große Trumpf der Gandhi-Partei.
Am 12. Mai gehen Indiens fünfwöchige Wahlen zu Ende. Und bisher sieht es nicht gut aus für den legendären Familienclan. Die Dynastie, die drei Premierminister stellte und das Riesenland die meiste Zeit seit der Unabhängigkeit 1947 lenkte, kämpft um ihr politisches Überleben. Ihrer Kongesspartei droht eine schwere, vielleicht historische Niederlage. Nun soll Priyanka retten, was noch zu retten ist. Sie sieht ihrer Großmutter Indira nicht nur verblüffend ähnlich, sondern hat auch deren Kampfgeist geerbt. Viele trauen ihr zu, was Rahul nicht schafft: Den Mythos der Gandhis wiederzubeleben und den undurchsichtigen Hindunationalisten Narendra Modi zu entzaubern. Kaum schaltete sich Priyanka in den Wahlkampf, kaperte sie die Schlagzeilen.
Das Duell heiße nicht mehr „Rahul vs. Modi“, sondern „Priyanka vs. Modi“. Die hochgewachsene Mutter zweier Kinder erweist sich als härteres Kaliber als ihr sanfter Bruder, und scheut auch die Niederungen politischer Schlammschlachten nicht. Die gegnerische Hindu-Partei BJP titulierte sie als „panische Ratten“, und machte sich über Modis Proportionen lustig. „Wir brauchen keinen Brustkorb von 142 Zentimeter, um das Land zu regieren. Wir brauchen bloß ein großes Herz.“ Schon lange halten viele Priyanka für die Talentiertere der beiden Geschwister. Aber Mutter Sonia, die Witwe des ermordeten Rajiv, entschied, den Sohn zum Kronprinzen aufzubauen, obgleich der 43-jährige sich schwertut, die Massen mitzureißen.
Der Ehemann könnte zum Problem werden
Ganz anders Priyanka. Mühelos zieht sie eine Menge in ihren Bann, clever münzt sie Missgeschicke in PR-Erfolge um. Als jüngst eine ihrer Sandalen riss, spazierte sie 500 Meter ohne Schuhe weiter. Ihre Entourage und die Journalisten fielen beinahe in Ohnmacht. Eine Gandhi, die barfuss durch den Staub geht - das ist auch im 21. Jahrhundert beinahe undenkbar. Priyanka sei eine "geborene Führerin", meinte "Mail today". Doch bisher weigert sich die Mutter zweier Kinder, in die Politik zu gehen, nur im Wahlkampf springt sie ein. Sie hat zudem eine Achillesferse: Die heißt Robert Vadra, ist seit 1997 ihr Ehemann und Vater ihrer Kinder. Seit die Kongresspartei vor zehn Jahren die Regierung wieder übernahm, habe der 44-jährige Geschäftsmann ein millionenschweres Immobilien-Imperium aufgebaut, berichtete das „Wall Street Journal“.
Von dubiosen Grundstücksdeals ist die Rede, und Krediten zu Spottzinsen. Das nutzt die BJP, um Priyanka zu attackieren. Sie sei „tief verletzt“, dass solche Dinge über ihren Mann gesagt würden, ließ sie wissen. „Je mehr man mich beleidigt, desto entschlossener werde ich kämpfen.“ Der Verweis auf die gekränkte Ehre wirkt jedoch anachronistisch. Sie lebe immer noch in den 70er Jahren, als die Gandhis unantastbare Götter waren, mokierten sich Kritiker. Insider beschreiben sie als „extrem herrisch“. Ob Priyanka die Dynastie vor einem Wahlfiasko retten kann? Die meisten Analysten bezweifeln das. Zu stark sei der Wunsch nach einem Machtwechsel.
Der Name Gandhi und Almosenprogramme für die Armen reichten nicht mehr aus, um Wahlen zu gewinnen. Dagegen verkaufe Modi den Traum von einem neuen Indien und einem besseren Leben. „Priyanka hat die BJP ein wenig erschüttert und die Kampagne der Kongresspartei wirkt nicht mehr ganz so schwach“, meint der Analyst Subhash Agrawal. „Aber Priyanka wurde zu spät ins Rennen geschickt.“ Dennoch könnte dieser Wahlkampf der Beginn ihrer Karriere sein. Eine Niederlage wird man ihrem Bruder anlasten, sie selbst dürfte sich dagegen für höhere Weihen empfohlen haben. Die Rufe mehren sich, dass sie den Parteivorsitz übernehmen soll – und nicht Rahul.