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So sah es vor zehn Jahren in Südossetien aus, als russische Panzer auffuhren.
© dpa

Zehn Jahre Georgienkrieg: In Georgien verliert Europa seine Glaubwürdigkeit

Die EU muss endlich Russlands aggressives Verhalten im Südkaukasus konsequent verurteilen – und angemessen sanktionieren. Ein Gastbeitrag.

In diesen Tagen erinnern wir uns an den Georgienkrieg vom 7. bis zum 16. August 2008. Anders als die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland und die militärischen Auseinandersetzungen in der Ostukraine fand die Situation in Georgien in der politischen Diskussion der vergangenen Jahre wenig Berücksichtigung. Zu oft wird vergessen oder übersehen, dass die georgischen Gebiete Südossetien und Abchasien seit nunmehr zehn Jahren von Russland besetzt sind – und schleichend annektiert zu werden drohen.

Zusammengenommen machen Südossetien und Abchasien rund 20 Prozent des georgischen Staatsgebiets aus. Schwer wiegt vor allem, dass Russland regelmäßig Militärübungen in den beiden international nicht anerkannten Republiken durchführt, die Demarkationslinien schrittweise zu befestigten Grenzen ausbaut und dabei die Grenzlinien in georgisches Territorium hineinverschiebt. Dadurch wurden bereits zahlreiche Dörfer von lebensnotwendigen Infrastrukturen einschließlich Wasserversorgung abgeschnitten. Viele Familien haben ihren Zugang zu landwirtschaftlichen Flächen verloren oder wurden gezwungen, ihren Wohnort zu verlassen. Darüber hinaus hat Moskau mit Südossetien und Abchasien in den Jahren 2014 und 2015 völkerrechtswidrige Abkommen über eine „strategische Partnerschaft“ beschlossen, auf deren Grundlage die südossetischen und abchasischen Verteidigungskräfte zunehmend in die der russischen Föderation eingegliedert werden.

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Das ist inakzeptabel und sollte auf eine deutlichere Antwort in Europa stoßen, sofern wir im Umgang mit dem Kreml nicht an Glaubwürdigkeit verlieren und unserem Ruf als Wertegemeinschaft gerecht werden möchten. Russland ist gefordert, endlich das Militär aus den besetzten Gebieten abzuziehen und jegliche Aktivitäten zum Ausbau befestigter Grenzen unverzüglich zu beenden.

Eine dauerhafte Lösung des Konfliktes rückt in immer weitere Ferne

Zwar ist es dank der zivilen europäischen Beobachtermission EUMM Georgien (European Union Monitoring Mission) weitgehend gelungen, offene Auseinandersetzungen zwischen Russland und Georgien im Südkaukasus abzuwenden. Eine dauerhafte Lösung des Konfliktes rückt jedoch in immer weitere Ferne. Die von der EU, den UN und der OSZE geführten Genfer Gespräche verlaufen seit Jahren ohne Ergebnis. Mit jeder russischen Provokation nimmt die Verhandlungsbereitschaft in Tiflis ab, während die Spannungen mit den georgischen Minderheiten in den besetzten Gebieten wachsen.

Daher ist es notwendig, als EU eine geschlossene Haltung gegenüber Russland einzunehmen und aggressives russisches Verhalten im Südkaukasus konsequent zu verurteilen und angemessen zu sanktionieren. Mit den internationalen Genfer Gesprächen und der EU Beobachtermission in Georgien bestehen zwei wichtige Formate, um den Konflikt beizulegen. Die Aktivitäten innerhalb dieser beiden Foren müssen dringend intensiviert werden.

Dass es vor zehn Jahren zu einer Vereinbarung zwischen Russland und Georgien gekommen ist, war besonders dem Engagement des damaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy zu verdanken. Wie wäre eine neue europäische Initiative gegenüber Präsident Wladimir Putin, um auf ein sofortiges Ende der illegalen Grenzziehung und jeglicher Gewalthandlungen in den besetzten Gebieten zu drängen?

Hoffnung bietet der neue Friedens- und Versöhnungsplan Georgiens mit dem Titel „Ein Schritt in eine bessere Zukunft“. Das Maßnahmenpaket soll der Teilung des Landes entgegenwirken, die humanitären und sozio-ökonomischen Bedingungen für die Bewohner der besetzten Gebiete verbessern und Kontakte zwischen den getrennten Gemeinden fördern.

Nach zehn Jahren mag dieser Konflikt im Kaukasus „eingefroren“ sein, aber deshalb darf er erst recht nicht vergessen werden!
- Der Autor ist seit 2014 Abgeordneter der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament. Von 2010 bis 2013 war er niedersächsischer Ministerpräsident

David McAllister

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