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Kanzlerin Angela Merkel und der türkische Premierminister Ahmet Davutoglu.
© dpa

EU und Flüchtlinge: In der Türkei liegt einiges im Argen

Die Türkei wird wegen der Flüchtlingsfrage dringend gebraucht. Dabei wären die inneren Verhältnisse dort durchaus ein Wort der Kanzlerin wert. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Verkehrte Welt. Früher konnten die Unionsparteien gar nicht genug Abstand halten zur Türkei, jetzt wird die als Partner von Bundeskanzlerin Angela Merkel fast hofiert und für die EU-Beitrittsgespräche nahezu privilegiert. Bei der SPD war das damals, zu Zeiten von Kanzler Gerhard Schröder, anders und ist heute erheblich stärker differenziert.

Beim kleineren Koalitionspartner gibt es gegenwärtig Vorbehalte grundsätzlicher Art. Denn wer zur Europäischen Union gehören will, der muss doch schon ein paar Auflagen erfüllen, die lauten: Presse- und Meinungsfreiheit, Freiheit der Justiz, anderes mehr. Demokratie halt.

Da liegt bei der Türkei unter Präsident Recep Tayyip Erdogan noch so einiges im Argen. Um es vorsichtig zu sagen. Es ist nämlich nicht besser geworden, sondern wird eher schlechter. Dass Erdogan kritische Journalisten, wie im Fall Cumhüriyet geschehen, geradezu persönlich verfolgt, wäre also durchaus ein Wort von Merkel wert. Wenn es noch wie früher wäre.

Doch jetzt ist ja alles anders und die Türkei dringend, zwingend nötig, das Flüchtlingsthema in den Griff zu bekommen. Erdogan wird gebraucht, weil erreicht werden soll, dass Schutzsuchende vor allem aus Syrien nicht ungesteuert Richtung EU weiterreisen.

Immerhin bildet sich zum ersten Mal in der EU so etwas wie eine Gruppe von Willigen, also von Staaten, die der Türkei die Aufnahme von 400.000 Flüchtlingen anbieten wollen. Deutschland gehört dazu, außerdem die drei Beneluxländer, Österreich, Schweden, Finnland, Griechenland und Frankreich. Was insofern positiv ist, als viel zu viele EU-Partner Widerstand leisten gegen jedwede Form von Verbindlichkeit.

Gegenleistungen für das Entgegenkommen aus Ankara? Die Visa-Erleichterungen für türkische Staatsbürger werden rascher umgesetzt, die Beitrittsverhandlungen neu belebt und vorangetrieben – und es gibt drei Milliarden Euro für die Flüchtlingshilfe am Ort. Es kann sogar sein, dass die EU früher oder später noch einmal drei Milliarden für die Versorgung der Menschen gibt.

Der Begriff von der privilegierten Partnerschaft, den die Union vor Jahren für das Verhältnis zur Türkei einführte, gewinnt auf diese Weise völlig neue Bedeutung.

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