SPD-Wahlkampf: In aller Freundschaft?
Der Wahlkampf läuft innerhalb der SPD zwischen Kanzlerkandidat Schulz und Außenminister Gabriel nicht ganz reibungsfrei - jetzt sind der SPD-Chef und sein Vorgänger gemeinsam aufgetreten. Ein Ortstermin.
Es ist kein Doppelauftritt, denn der Kanzlerkandidat kommt spät, als der Außenminister mit seiner Wahlkampfrede längst fertig ist. Aber ein Signal der Verbundenheit soll die gemeinsame Veranstaltung auf jeden Fall darstellen: Martin Schulz tritt auf im Wahlkreis Sigmar Gabriels, jenes Mannes, der für ihn auf die Kandidatur und den SPD- Parteivorsitz verzichtet hat und den er seinen Freund nennt. Auch an diesem Abend wird er über diese Freundschaft reden.
Aber zunächst gehört die Bühne auf dem Marktplatz in Salzgitter-Bad Sigmar Gabriel. Und bald gehören ihm die mehreren Hundert Zuhörer auch. Man könnte sagen: Heimspiel für den Mann aus Goslar. Seit Jahrzehnten macht er in Niedersachsen Politik, seit zwölf Jahren ist er direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Salzgitter-Wolfenbüttel.
Der Mann im lässigen hellblauen Sommerjackett kennt seine Zuhörer und holt sie ab. Los geht’s mit der Forderung, die Stadt Salzgitter habe einen Anspruch darauf, dass die Flüchtlinge gerecht im Land verteilt würden. Das gibt Applaus. Dann wendet er sich gegen Fahrverbote, greift zwar die Manager an, verteidigt aber die Automobilindustrie entschieden als Herz der deutschen Wirtschaft. In der Region, die auch vom Automobilbau lebt, kommt das gut an.
Der Ex-Parteichef attackiert Kanzlerin Angela Merkel, weil die sich angeblich als Vorreiterin für Frauenrechte feiern lässt, was er ihr nicht durchgehen lassen will. Und natürlich kommt noch die Attacke auf die angeblich gegenüber Trumps Hochrüstungsforderungen so willfährige Union: „Der 24. September muss ein klares Signal geben: Wir machen da nicht mit. Deutschland bleibt Friedensmacht in Europa und nicht Rüstungsmacht.“
Ohne Direktwahl könnte Gabriel seinen Parlamentssitz verlieren
Es wirkt, als hätte er alle Zuhörer überzeugt. Unterstützung im Wahlkampf kann der Ex-Parteichef diesmal gebrauchen: Zwar hat er seinen Wahlkreis auch bei der Wahl 2013 direkt geholt – mit mehr als neun Prozent vor dem Bewerber der CDU. Doch die Schwäche der SPD kann auch in einzelnen Wahlkreisen durchschlagen. Als Außenminister ist Gabriel nun zwar allzeit präsent, ist populärer als je zuvor. Doch wenn er den Wahlkreis verlöre, wäre er von einem Tag aus der anderen aus der Politik hinauskatapultiert. Auf der niedersächsischen Landesliste ist er nicht abgesichert: Platz 25 dürfte kaum reichen, um ins Parlament zu kommen.
In der SPD-Spitze beobachten manche mit einer Mischung aus Skepsis und Anerkennung, dass Gabriel in der Endphase des Wahlkampfes fast täglich eigene Akzente setzt, provokante Interviews gibt und Schlagzeilen macht. Manchmal wirkt sein Hyperaktivismus allerdings so, als wolle er dem von ihm gekürten Spitzenkandidaten die Linie vorgeben, weil er seine Autorität untergräbt. Schulz aber lobt seinen umtriebigen Freund: Der sei „einer der besten Wahlkämpfer, den die SPD hat“, verkündete er am Sonntag im ARD-Sommerinterview.
Schulz lobt den "braven" Gabriel - an diesem Abend in der Heimat
Kaum hat Schulz die Bühne auf dem Marktplatz erklommen, kommt er auf die Freundschaft zu Gabriel zu sprechen. „Natürlich bin ich nicht durch Zufall in Salzgitter“, sagt er . Wegen Gabriel sei er gekommen. Es geht ihm um etwas Großes: „Wir können zeigen, dass es etwas gibt, was viele bestreiten: Freundschaft zwischen zwei Männern in der Politik.“ Schnell schiebt er noch einen ironischen Satz hinterher, der das Pathos bricht: „Ich freue mich, dass er da sitzt in der ersten Reihe, brav, und mir nicht widerspricht.“
Bei anderen Gelegenheiten hat er schon durchblicken lassen, dass er unter Gabriels impulsiver Art auch manchmal leidet. In der ARD hatten ihn die Moderatoren deshalb gefragt, ob ihm nicht auch mal die Hutschnur platzt, wenn er wieder von einer neuen Volte des Freundes erfahre? Schulz allerdings wollte davon nichts wissen und lachte laut auf, als er das gefragt wurde. „Sigmar Gabriel und ich stimmen uns in jedem Punkt und auch täglich ab“, versicherte er. Womöglich könnte man aus dem Willy-Brandt- Haus Gegenbeispiele hören. Und ob es wirklich freundschaftlich zugeht, wenn die SPD nach der Wahl wieder das Außenministerium besetzen kann, ist auch noch nicht ausgemacht. Aber darüber will an diesem warmen Wahlkampf-Sommerabend in Salzgitter-Bad niemand sprechen.