Wer für höhere Löhne in der Pflege zahlt: Immer auf die Kinderlosen! Das ist nicht fair
Kinderlose gelten als egoistische Solidaritätsverweigerer, die ruhig mehr zahlen sollen. Auch jetzt bei der Pflegereform wieder. Ein Kommentar.
Viele gesellschaftliche Gewissheiten sind zuletzt ins Wanken geraten, eine aber nicht: dass Kinderlose egoistische Solidaritätsverräter sind, denen man ruhig immer mal etwas tiefer ins Portemonnaie greifen sollte. Und so wundert sich vermutlich niemand, wenn die Reform zur Verbesserung der Pflege als Zahlmaxe die Kinderlosen ins Auge fasst. Deren ohnehin höherer Beitragssatz (plus 0,25 Punkte) zur Pflegeversicherung soll nochmal um 0,1 Punkte steigen.
Na klar? Schließlich ziehen Kinderlose ja keine künftigen Sozialkassenbeitragszahler groß, sondern feiern oder reisen oder hedonisten sonst wie vor sich hin? Und wollen später aber von den von anderen großgezogenen Beitragszahlern finanziert werden? Die Eltern dagegen: nur Kosten, nur Arbeit, nur Nachteile, damit am Ende andere womöglich noch fettere Rente beziehen? Ja, nee, das geht natürlich nicht! Voll ungerecht.
[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
Ob diese Rechnung so überhaupt stimmt, lässt sich leider nicht ganz einfach überprüfen. Kinderlose nehmen schließlich vieles nicht doppelt in Anspruch, was sie trotzdem mitfinanzieren: Kitas, Schulen, Universitäten etwa. Könnte es gar sein, dass Ein-Kind-Familien volkswirtschaftlich gesehen eine schlechtere Bilanz habt als Kinderlose?
[Lesen Sie auch: Ökonomische Dominanz der Boomer: Wir Millennials kommen nicht voran und ihr seid schuld! (T+)]
Und überhaupt ist das mit der Zahl der Kinder und der Zahl der künftigen Beitragszahler auch nur eine angenommene Konstante. Schließlich kommt es vor, dass Kinder scheitern, krank oder arbeitslos werden, oder dass sie nach einem teuren Medizinstudium auswandern und nie wieder gesehen werden.
Kinderkriegen als Bürgerinnenpflicht
Es ist auch keinesfalls so, dass alle, die keine Kinder haben, deshalb ein selbstverliebtes Luxusleben führen. Manche sind arm, manche depressiv, manche würden für ein Kind alles aufgeben, haben aber trotzdem keins.
[Lesen Sie auch: Steuererklärung für 2020 :Wie Sie durch Corona Steuern sparen können (T+)]
Dass sie so gar nicht aufbegehren, wenn sie wieder als Rechnungsadresse genannt werden, zeigt auch, wie einig die Gesellschaft in dieser Frage noch ist: Kinder bekommen ist Bürgerinnenpflicht. Bei Nicht-Befolgung: Zahlbefehl. Um aber unter anderem Pflegekräften zum verdienten Lohnplus zu verhelfen werden sie auch diesmal kaum mucken.
Nachzudenken wäre aber über eine ältere Idee vom Familienbund der Katholiken: dass Eltern nur so lange gegenüber Kinderlosen einen Beitragsvorteil haben sollten, bis die Kinder erwachsen sind. Ab dann leben sie ja fast wie Kinderlose. Bisher vor allem, was die Freizeit und sonstigen Hedonismus angeht. Warum nicht auch im Sinne der Beitragssolidarität?