Linke vor Niedersachsen-Wahl: "Image der chaotischen Protestpartei"
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) will die Linke nicht im Landtag haben. Aber er könnte sie brauchen, um im Amt zu bleiben.
Schlimmer für die Linkspartei in Niedersachsen kann es kaum kommen. Die Landtagswahl im Januar 2013 war für sie ein Desaster. Mit 3,1 Prozent der Zweitstimmen verfehlte sie die Fünfprozenthürde deutlich. Die Wahlstrategie war von Pannen begleitet. In klassenkämpferischen Ton protestierte die Partei gegen „Bankenmacht“ und „Spekulanten“. Sie ernannte Linken-Frontfrau Sahra Wagenknecht als Verhandlungsführerin für Rot-Rot-Grün, obwohl die gar nicht zur Wahl angetreten war. Schließlich verlor sie im Vergleich zur Wahl 2008 mehr als die Hälfte ihrer Wählerinnen und Wähler.
Die parteinahe Rosa-Luxemburg-Stiftung analysierte vor fünf Jahren: „Der Start in das Bundestagswahljahr ist schmerzhaft missglückt.“ Meinungsforscher ermittelten, dass 47 Prozent der Bürger die Linke als Ost-Partei ansehen, „die im Westen nicht gebraucht wird“. Nur 14 Prozent meinten damals: „Sahra Wagenknecht ist ein guter Grund, die Linke zu wählen.“
Verglichen damit sind die Erwartungen in der Linkspartei an diesem Wahlsonntag gut. Sie liegt in allen Umfragen bei oder knapp unter fünf Prozent. Und die 6,9 Prozent, die sie bei der Bundestagswahl am 24. September in dem westdeutschen Flächenland bekam, lassen die Funktionäre hoffen. Die seit 2015 amtierende Landesvorsitzende Anja Stoeck sagt: „Wir gehen davon aus, dass wir es schaffen.“ Die gelernte Physiotherapeutin war bis 1989 SPD-Mitglied. Sie kündigt an: „Wir sind offen für Gespräche mit SPD und Grünen.“
Das Wahlprogramm der Partei betrachtet Stoeck dafür als gute Grundlage. Es enthält weitreichende Forderungen unter anderem zur Sozialpolitik – ein für Niedersachsen geltender Mindestlohn von zwölf Euro, perspektivisch eine 30-Stunden-Woche, ein Frauenministerium. Zudem fordert die Partei günstigere Preise für Arme bei Strom, Nahverkehr und Kultureinrichtungen. Wahlforscher haben ermittelt, dass SPD und Linke bei mehr als der Hälfte ihrer Positionen übereinstimmen. Zwischen Grünen und Linken sind es sogar noch deutlich mehr.
Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPD und CDU
Strategisch kompliziert ist die Ausgangslage für die Linke dennoch. Einerseits: SPD und Grüne haben Umfragen zufolge keine Chance auf ein Regierungsbündnis, gemeinsam mit den Linken aber sehr wohl. Andererseits könnte das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den beiden großen Parteien am Ende die Linkspartei Stimmen kosten. Die Nachrichtenagentur dpa zitiert den Braunschweiger Politikprofessor Nils Bandelow mit den Worten: „Viele links-gesinnte Wähler werden nun eher das SPD-Lager unterstützen, um eine CDU-geführte Regierung zu verhindern.“
Der Demokratieforscher Matthias Micus von der Universität Göttingen sagt: „In den alten Bundesländern haftet der Linken das Image an, eine chaotische Protestpartei zu sein, die nicht regieren kann.“ Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat dennoch – anders als seine damalige Amtskollegin Hannelore Kraft vor der Wahl in NRW – Rot-Rot-Grün nicht strikt ausgeschlossen. Offensiv wirbt er allerdings auch nicht dafür. Weil sagt: „Ich leide nicht unter der gerade jetzt wieder epidemisch grassierenden Ausschließeritis. Aber mein Ziel ist, dass die Linke nicht in den Landtag kommt. Und dies wiederum ist das glatte Gegenteil von Rot-Rot-Grün.“