Kommunalwahl in NRW: „Ich werde ständig sexistisch angefeindet“
Allein unter Männern: Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker erklärt, warum aus Ihrer Sicht kein Weg an Frauenquoten vorbeiführt.
Frau Reker, Sie wurden bei der Oberbürgermeisterwahl vor knapp fünf Jahren Opfer einer schrecklichen Messerattacke. Müssen Sie in diesen Tagen daran denken?
Ich bin in meinem Alltag angstfrei, auch jetzt im Wahlkampf. Wir sind auch dieses Mal auf den Kölner Wochenmärkten unterwegs. Die Polizei ist in der Nähe, Personenschutz wollte ich nicht. Mit zwei Männern mit Knopf im Ohr neben sich kann man keine Nähe zu den Bürgern herstellen. Ich habe noch keine Ahnung, wie ich mich am Wahltag fühlen werde, ich kenne es ja nicht. Beim letzten Mal habe ich im künstlichen Koma gelegen.
Glauben Sie, dass es junge Menschen, nicht nur Frauen, heutzutage in größerem Maße abschreckt, sich auf höherer Ebene politisch zu engagieren, wenn sie wissen, dass sie auf allen Kanälen Kritik und Angriffen ausgesetzt sind?
Viele von uns halten sich mittlerweile in kommunikativen Räumen auf, in denen Respekt und Toleranz vor anderen nicht mehr gelten. Da sind Herabsetzung, Beleidigung oftmals sogar Hass an der Tagesordnung. Frauen stehen hier besonders im Fokus, denn an sie werden grundsätzlich andere Erwartungen gestellt als an Männer: Ihr Privatleben wird stärker beobachtet und ihre äußere Erscheinung rückt auch stärker in den Blick, das schreckt sicher viele ab.
Sie unterstützen das Instrument der Frauenquote, sagen aber, dass sie diese früher abgelehnt hätten. Was war der ausschlaggebende Moment, der Sie dazu bewogen hat, Ihre Haltung zur Frauenquote zu ändern?
Appelle und Selbstverpflichtungen haben nicht zum Ziel geführt. Deshalb bin ich schon lange für die Quote. Geholfen hat dabei auch ein Gespräch mit der Landtagsabgeordneten Heike Gebhard, die mir das Prinzip Quote vor 15 Jahren erklärt hat. Deshalb brauchen wir aus meiner Sicht die Quote, solange die volle Gleichstellung nicht erreicht ist. Die Gesellschaften der Stadt Köln gehen hier mit gutem Beispiel voran und haben sich Zielvorgaben gesetzt. Bei der Stadt selbst sind wir mit einem Frauenanteil von 62,8 Prozent beim Stammpersonal und 46 Prozent in Führungspositionen auf einem guten Weg. Als nächstes nehmen wir mit einer ausdrücklichen Vorschrift des Public Corporate Governance Kodex die Aufsichtsräte der städtischen Beteiligungen ins Visier.
Was muss sich neben einer Quote noch strukturell ändern, damit mehr Frauen Bürgermeisterinnen oder Landrätinnen werden?
Ich glaube, das Wichtigste ist eine bessere Vereinbarkeit von Parteiarbeit und Familienleben. Denn es fängt ja schon dabei an, dass Frauen viel seltener als Männer in politischen Parteien sind. In Köln setze ich mich dafür ein, dass zum Beispiel Sitzungszeiten nicht mit klassischen Familienzeiten wie etwa dem Schulschluss kollidieren.
Wurden Sie im Laufe Ihrer politischen Karriere mit sexistischen Kommentaren oder Situationen konfrontiert, die Sie als frauenherabsetzend empfunden haben? Wenn ja, wie haben Sie darauf reagiert?
In den sozialen Medien werde ich ständig sexistisch angefeindet, damit habe ich mich abgefunden. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir eine Situation aus dem Wahlkampf 2015. Da sagte mir eine erfolgreiche Geschäftsfrau: Mit so einer Frisur könne man doch nicht kandidieren! Ich habe damals herzlich gelacht, aber es fühlte sich komisch an. Wie unter einer Lupe wird von uns ein höherer Perfektionsgrad verlangt.
Welchen Tipp würden Sie einer jungen Frau geben, die sich für eine höhere politische Position auf Kommunalebene interessiert?
Ich glaube, dass sich viele gerade junge Frauen zu wenig zutrauen. Ich würde mir da mehr Selbstbewusstsein wünschen. Bei Männern ist es ja oft andersrum: Sie stellen sich in Bewerbungen besser dar, als sie eigentlich sind. Grundsätzlich kann ich allen, die sich engagieren wollen, nur raten: Folgt euren Überzeugungen, bewahrt Haltung! Das ist die Grundlage für erfolgreiche Politik.
Fatima Abbas
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