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Bundeskanzlerin Angela Merkel die Moderatorin Anne Will unterhalten sich über die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung.
© Rainer Jensen/dpa

Angela Merkel in ARD-Talkshow von Anne Will: "Ich sehe nichts, was mich zum Umsteuern bewegen könnte"

"Wir schaffen das" - Bundeskanzlerin Angela Merkel hält an ihrer Flüchtlingspolitik fest. Die Forderung von Sigmar Gabriel nach einem Sozialpaket für deutsche Bürger weist sie zurück.

Von Antje Sirleschtov

Hier stehe ich und ich kann nicht anders. Mit dieser kompromisslosen Art, seine eigenen politischen Überzeugungen zu verfolgen, hat einst Gerhard Schröder eine der tiefgreifendsten Sozialreformen in Deutschland umgesetzt. Er war der Kanzler, er hat das, was er tat, für notwendig erachtet. Und er ließ sich dabei nicht beirren. Nicht von den Tausenden, die gegen seine Hartz-Gesetze auf die Straße gezogen sind. Und schon gar nicht von den Zweiflern, die in Scharen um ihn standen. Nun steht auch diese Kanzlerin am point of no return, diesem Augenblick, in dem sie alles, was sie hat, für ihre Überzeugungen in die Waagschale legt. "Ich sehe nichts, was mich zum Umsteuern bewegen könnte", sagt Angela Merkel am Sonntagabend zur besten Sendezeit in der ARD.

Europäische Lösung der Flüchtlingskrise

Keine brennenden Flüchtlingsheime, keine rechten Parteien und nicht einmal die Kritik, die ihr aus dem eigenen, dem bürgerlichen, Lager immer massiver entgegenschlägt. Merkels Bekenntnis: Sie glaubt an eine europäische Lösung der Flüchtlingskrise. Die Grenzen wird sie nicht schließen, nicht heute und auch nicht nach den Landtagswahlen im März. Weil das "logisch" und "nachhaltig" und "das Beste für Europa" ist. Sie wischt die Weigerungen der anderen EU-Länder, ihr zu folgen und Flüchtlinge aufzunehmen, weg. Sie sieht Annäherungen in Europa, obwohl die Nachbarn schon Schlagbäume hochziehen. Und sie prophezeit in dieser, manchem so aussichtslos erscheinenden, Situation sogar: "Es wird sich eine Lösung ergeben, in ein oder zwei Jahren".

Angela Merkel entscheidet für alle Deutschen

Und wenn nicht? Man könnte annehmen, gute Politik denkt immer das Unmögliche mit. Schließlich geht es hier nicht um das Schicksal einer einzigen Frau. Die Kanzlerin geht Wege für ein Volk von 80 Millionen Menschen. Ihre Zukunft liegt in Merkels Händen, von ihrem Urteilsvermögen hängen Wohlstand und sozialer Frieden ab. Doch für Angela Merkel ist Verzagtheit in dieser Zeit nicht mehr als das Zittern der Ängstlichen. "Ich konzentriere mich auf den Weg, den ich für vernünftig halte", sagt sie. Alternativen? Einen Plan B? Fehlanzeige. Sie will "diesen Weg weitergehen". Und weil das Entschlossenheit noch nicht genug ist, fügt Merkel auch noch an: "Ich glaube, dass ich (damit) Deutschland diene".

Das gestern Gesagte war wichtig und richtig und Merkel wird dafür eine große Zustimmung in der Bevölkerung bekommen, so wie auch der größere Teil der Bevölkerung den Flüchtlingen in ihrer Not hilft statt der "Boot-ist-voll"-Hysterie zu verfallen.

schreibt NutzerIn woksoll

Ist dieser Umgang der Bundeskanzlerin mit der Flüchtlingskrise naiv, womöglich am Ende sogar gefährlich? Schließlich wachsen die Widerstände gegen ihren Lösungsansatz überall. Im Land und auch im europäischen Ausland. Angela Merkel wird sich diese Frage wohl selbst schon einige Male gestellt haben. Zumindest beobachtet sie sehr genau, was die Deutschen denken, wie sich die Stimmung verändert.

Sigmar Gabriel mache die SPD klein

Sie sieht den Hass und die Gewalt gegen Fremde und sie verurteilt sie. Aber sie analysiert auch, dass der größte Teil der Deutschen die Offenheit im Namen der Menschlichkeit aufrechterhalten will. Zu ihnen sucht Merkel Nähe, spricht von einem "schwierigen Weg", der "noch viel Zeit brauchen wird". Sie bittet um Vertrauen, noch ein wenig. Und sie sagt denen, die Sorge um das eigene Wohlergehen haben, zu, sich darum zu kümmern. Ihrem Vizekanzler Sigmar Gabriel, der die Ängste vor dem Verlust sozialer Sicherheit in der Flüchtlingskrise an diesem Wochenende artikuliert hat, wirft Merkel sogar vor, er mache damit sich und seine SPD "klein", stelle "sein Licht unter den Scheffel".

Es ist ein Unterschied, ob man humanitäre Hilfe leistet, die von der Bevölkerungsmehrheit mit getragen wird, oder ob man den von den Menschen erarbeiteten Wohlstand mit Ländern teilen will, die mit sich selbst nicht zurechtkommen. Letzteres ist in einer Demokratie politisch nicht durchsetzbar.

schreibt NutzerIn fritz

Weil doch gerade diese große Koalition aus Union und SPD mit der Rente mit 63, Kitaplätzen und der Mütterrente so viel getan habe. Nur die Realität zu beschreiben, ihre Unvollkommenheit, sagt Merkel, das sei nicht ihr Verständnis von Politik. Sie will verändern und dabei nichts versprechen, was sie nicht halten kann, den Leuten "kein X für ein U vormachen". Und folgerichtig auch nicht darüber spekulieren, wann es wie viele Flüchtlinge weniger sein werden, die an die Türen Europas und Deutschlands anklopfen. So viel Vertrauen braucht diese Kanzlerin.   

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