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Im Landkreis Rottal-Inn in Niederbayern liegt die Sieben-Tage Inzidenz bei 1156.
© Armin Weigel/dpa

1000er-Inzidenzen in Bayern: „Ich bin doch nur hier, was soll mir da passieren?“

Riesige Inzidenzen, wenig Impfungen, viele Corona-Skeptiker: Die Infektionszahlen bayerischer Regionen sind bundesweit an der Spitze. Das sind die Gründe.

Es ist eine unglaubliche Zahl. 1156 Fälle vermeldete das Robert-Koch Institut (RKI) am frühen Freitagmorgen für den Landkreis Rottal-Inn in Niederbayern. Er ist damit bundesweiter Spitzenreiter bei den neuen Corona-Infektionen. Berechnet auf 100.000 Bürger haben sich dort 1156 in den letzten sieben Tagen mit dem Virus infiziert.

Auf Platz zwei folgt Miesbach in Oberbayern mit 1049. Unter den bundesweiten Top Ten liegen acht im Freistaat, etwa Mühldorf am Inn, das Berchtesgadener Land oder Traunstein. Die Intensivstationen sind komplett voll, im Landkreis Rottal-Inn gibt es jetzt nur noch ein einziges freies Bett.

Insgesamt hat Bayern eine Inzidenz von 455, nur in Thüringen und Sachsen ist sie höher, im Bund sind es knapp 264.

Höchstinzidenzgebiet Bayern – woran liegt es?

Ursula Münch schnauft ein wenig ins Telefon. „Wenn ich das so genau wüsste", sagt die Politik-Professorin. Seit einiger Zeit ist die Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing zu einer Art Bayern-Erklärerin geworden.

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Die exorbitanten Zahlen sind nicht im ganzen Freistaat gleich verteilt. Vielmehr liegen die Hotspots recht genau im Süden, am Rand der Alpen und im Bayerischen Wald. „Auf dem Land sind PCR-Tests manchmal schwer erhältlich“, sagt Münch.

„Wer beim Schnelltest positiv ist und dann ein paar Tage warten muss – bleibt der dann auch in Quarantäne?“ Sie führt die Nähe zu Österreich an, wo die Zahlen noch höher liegen. „An der Grenze wird ja faktisch nicht kontrolliert.“

Wenig Vertrauen, viel Abneigung

Doch es könnte durchaus auch etwas mit der Einstellung mancher Menschen zu tun haben. „In den letzten Jahren hat vor allem auf dem Land der Vertrauensverlust gegenüber staatlichen Institutionen und auch den Medien enorm zugenommen“, konstatiert Münch. „Je weiter weg die Leute von den Zentren sind, desto größer ist die Abneigung.“

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Die AfD hat in diesen Regionen vergleichsweise hohe Zustimmungswerte, und es gibt mehr Corona-Skeptiker. Die aufgeschlüsselten Zahlen des gescheiterten Querdenker-Volksbegehrens zur Auflösung des Landtags belegen dies: Bayernweit trugen sich 2,15 Prozent der Wahlberechtigten in die Listen ein.

In Traunstein aber waren es 4,35, im Berchtesgadener Land 3,88 und in Rottal-Inn 3,80. Zugleich liegen die Impfquoten in diesen Landkreisen signifikant unter dem gesamten Bayern-Wert, der wiederum niedriger ist als im Bund.

Skepsis gegenüber Staat und Neuem – auch einem neuen Virus

Auf dem Land, in konservativ geprägten Regionen ist die grundsätzliche Skepsis gegenüber Neuem groß. Und im Dorftratsch können sich seltene Ausnahmefälle schnell zur allgemeingültigen Wahrheit aufbauschen.

So will sich ein Landwirt aus dem Landkreis Garmisch-Partenkirchen trotz chronischer Atemwegserkrankung partout nicht impfen lassen, weil er der Sache nicht traut. In seinem Umfeld gibt es wilde Gerüchte von massenhaft Herzmuskelerkrankungen nach Corona-Impfungen – „fast alle sind tot“.

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Die nicht sonderlich solidarische Methode des Bauern: „Warten“ bis genügend andere geimpft sind und es auf seine eigene Immunisierung nicht mehr ankommt. Dass auf dem Hof viel Durchlauf ist und oft Verwandtschaft vorbeikommt, stört nicht weiter. „Ich bin doch nur hier, was soll mir da passieren?“

Ein 60-jähriger Mann hat eine große Familie im südlichen Oberbayern. Über die Impfung sagt er, dass die Nebenwirkungen nicht erforscht seien, Corona beschreibt er als nur eine leichte Form der Grippe.

Bayerms Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ist alarmiert.
Bayerms Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ist alarmiert.
© Sven Hoppe/dpa

„Die Leute werden geboren, die Leute sterben. Ein Virus kommt und geht wieder.“ Mehr als die Hälfte seiner Familienangehörigen infizierte sich auf einen Schlag, eine Schwester leidet bis heute an Long Covid. Ein traditionelles Familienfest mit vielen Besuchern musste wegen der Infektionen abgesagt werden.

Eine jüngere Frau aus dem Bayerischen Wald wiederum, die in München arbeitet und am Wochenende pendelt, erzählt über die Zeiten strikter Ausgangssperren: „Natürlich haben wir im Freundeskreis trotzdem groß unsere Geburtstage gefeiert, wie immer.“ Man würde sich ja kennen.

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„Wir sind da unter uns, da hat keiner was.“ Dass nahezu alle pendeln, wurde ignoriert. Und die Freunde wähnten sich noch besonders schlau. „Keiner ist nachts auf der Hauptstraße nach Hause gegangen, da stand ja oft die Polizei. Wir kennen im Dorf die kleinen Fußwege hinter den Gärten.“

Auch beim Blick auf die Querdenker- und die Reichsbürgerszene im Freistaat ist eine gewisse Konzentration auf den Südteil Bayerns, speziell die Chiemgau-Region, zu erkennen. Der Verfassungsschutz stellt fest, dass „infolge der Coronakrise Verschwörungstheorien von Reichsbürgern größere Verbreitung finden“.

Zum Typ Querdenker zählte jene Ende September ausgehobene illegal betriebene Schule in Deutelhausen bei Rosenheim. 50 Kinder aus Oberbayern wurden dort von Eltern und einer verbeamteten Lehrerin in einem alten Bauernhof unterrichtet, ohne Einhaltung jedweder Corona-Regeln und Genehmigung.

Dem Bayerischen Rundfunk sagte die Leiterin, sie sei wegen Corona „aus dem System ausgestiegen“ und habe „Eingebungen von oben“ bekommen, die Schule zu gründen. Diese befinde sich nicht in der Bundesrepublik, sondern sei „russisches Hoheitsgebiet“.

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