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Zuletzt zogen die Proteste der Corona-Skeptiker immer weniger Demonstrierende an. Doch die Debatte um eine Impfpflicht könnte der Bewegung wieder Aufwind verschaffen.
© imago images/Future Image

Jahrestag der Großdemo gegen Corona-Maßnahmen: Querdenker strömen wieder nach Berlin – zwei Versammlungen verboten

Wird es eine Rückkehr – oder ein Flop? Am Wochenende will die Querdenken-Bewegung in Berlin wieder auf die Straße gehen. Zwei Demos wurden im Vorfeld untersagt.

Lange hat man wenig von ihnen gehört, nun wollen sie wieder in Berlin demonstrieren: Querdenker rufen ihre Anhänger auf, zu kommen – die fürs Wochenende geplante Aktion wird prominent organisiert von „Querdenken 711“, der Stuttgarter Mutterorganisation der Corona-Demonstrationen.

Doch wie die Berliner Polizei am Mittwoch mitteilte, hat sie zwei Versammlungen aus dem Milieu am kommenden Wochenende verboten, eine am 31. Juli und eine am 1. August. Grund dafür seien absehbare Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz. Wie der RBB berichtete, soll es sich bei einer davon um die geplante  Großdemo am 1. August handeln, bei der 22.500 Teilnehmer angemeldet waren.

Eigentlich sollte an diesem Sonntag, dem 1. August, ein Jubiläum gefeiert werden: Exakt ein Jahr zuvor zogen Zehntausende maskenlose Gegner der Pandemie-Einschränkungen durch Teile des Stadtzentrums. Darunter waren Rechtsextreme, Verschwörungsideologen und Reichsbürger. Anwesende Journalisten und vorbeilaufende Passanten mit Mundschutz wurden permanent beschimpft. Die Polizei wirkte damals überfordert von der Masse und war an einigen Stellen des kilometerlangen Aufzugs stundenlang nicht präsent.

Ähnlich wie im vergangenen Jahr sollte der kommende Sonntag mit einem um 11.30 Uhr startenden Aufzug durch Mitte beginnen. Im Anschluss war eine Großkundgebung auf der Straße des 17. Juni geplant. Gleichzeitig soll es das gesamte Wochenende über zahlreiche weitere Versammlungen geben, die dem Milieu der Corona-Demonstranten zuzuordnen sind.

Berlin, 1. August 2020: Tausende Corona-Leugner demonstrieren gegen die Beschränkungen in der Pandemie. Abstandsregeln wurden ignoriert, Masken trug kaum jemand.
Berlin, 1. August 2020: Tausende Corona-Leugner demonstrieren gegen die Beschränkungen in der Pandemie. Abstandsregeln wurden ignoriert, Masken trug kaum jemand.
© imago images/Jochen Eckel

Seit mehreren Wochen wird auf den offiziellen Kanälen der Bewegung für den 1. August in Berlin geworben. Die Kampagne setzt sich unter anderem aus Mobilisierungsvideos zusammen, die hundertfach über den Messengerdienst Telegram geteilt werden.

"Notfallplan" im Fall von Nichtgenehmigung oder Auflösung von Demos

Auch auf ein von den Behörden ausgesprochenes Versammlungsverbot aus Infektionsschutzgründen schien man sich bei Querdenken 711 vorzubereitet zu haben. Auf der Website werden Demonstranten dazu aufgefordert, „mobil zu bleiben“. Um „flexibel“ auf ein Versammlungsverbot reagieren zu können, wird auf verschiedene Fortbewegungsmittel wie Carsharing-Anbieter und E-Scooter-Verleiher hingewiesen. Außerdem wird den Anhängern eine frühe Anreise geraten, da man laut „Querdenken 711“ im Falle eines Verbots bereits am Sonnabend einen Spontanaufzug durchführen wolle.

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Auch hinter den Kulissen arbeiten die Initiatoren laut „Focus“ offenbar an diversen Szenarien, um Demonstrationen trotz Verbots stattfinden zu lassen. In einem versehentlich an verschiedene Medienhäuser versandten Dokument spricht Querdenken 711 von einem „Notfallplan“, der bei Nichtgenehmigung oder Auflösung ihrer Kundgebungen zum Tragen kommen soll. Der „Focus“ berichtet gar von geheimen Codes wie dem Wort „Mutti“, die im Dokument zur Sprache kommen.

Ein Teilnehmer der Demonstration von "Querdenken 711" vor einem Jahr trägt eine Flagge des Deutschen Reiches.
Ein Teilnehmer der Demonstration von "Querdenken 711" vor einem Jahr trägt eine Flagge des Deutschen Reiches.
© Fabian Sommer/dpa

Wie viele Menschen tatsächlich dem Aufruf der Pandemieleugner und Maßnahmenskeptiker nach Berlin folgen, ist schwer einzuschätzen. Laut der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) lässt sich allgemein eine „geringere Dynamik in der Mobilisierung“ im Vergleich zum vergangenen Jahr feststellen.

Gleichzeitig versuche man aber, Sympathisanten der Bewegung zu „reaktivieren“. Insbesondere die Warnung vor einer angeblich bevorstehenden Impfpflicht soll laut der Berliner Beratungsstelle Ängste schüren und Menschen auf die Straße bringen.

Polizeigewerkschaft spricht von „Mammutaufgabe“

Auch im rechtsextremen Milieu fällt die Mobilisierung kleiner aus als im August 2020. Trotzdem ruft unter anderem die rechtsextreme Partei „Freie Sachsen“ ihre Anhänger nach Berlin und die Kundgebung auf der Straße des 17. Juni soll nach Angaben von Querdenken-Gründer Michael Ballweg von René Stadtkewitz, dem Gründer der rechtspopulistischen Partei „Die Freiheit“ moderiert werden.

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Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP), rechnet mit zehntausenden Demonstranten und spricht von einer „Mammutaufgabe“. So sollen am Sonnabend rund 1500 und am Sonntag sogar 2000 Beamte und Beamtinnen im Einsatz sein.

Mit Blick auf den Christopher Street Day des vorangegangenen Wochenendes, bei dem zehntausende Demonstranten teilweise ohne Maske und Abstand durch die Stadt zogen, erwartet Jendro, dass „bestimmte Seiten“ Vorwürfe erheben würden, dass die Polizei mit zweierlei Maß messen würde.

Dennoch wird sich das viel kritisierte Hygienekonzept des CSD „ohne Frage“ auf die Einsatzlage am kommenden Wochenende auswirken und „den Einsatzkräften bei sämtlichen Maßnahmen viel Kommunikation abverlangen.“

Die Fahnder der Ermittlungsgruppe „Quer“ werden wohl aufmerksam beobachten

Vor allem Sonntag sind viele Gegenveranstaltungen zivilgesellschaftlicher und linker Initiativen geplant, die sich gegen die Querdenker-Versammlungen richten. Am Großen Stern findet ein „Demo-Rave gegen Verschwörungsideologien“ der Gruppe „Geradedenken“ statt, am Holocaustmahnmal rufen die „Omas gegen Rechts“ zur Kundgebung auf.

Auch die Fahnder der Ermittlungsgruppe „EG Quer“ werden das kommende Wochenende wohl aufmerksam verfolgen. Seit Februar läuft im Intranet der Berliner Polizei eine Bild-Fahndung nach mehr als 400 Verdächtigen, die am sogenannten „Reichstagssturm“ am 29. August beteiligt gewesen sein sollen.

In den vergangenen Monaten wurden im Rahmen von Berliner Querdenken-Veranstaltungen mehrmals beteiligte Personen vor Ort von Einsatzkräften erkannt und durch die Fotos der Intranet-Fahndung identifiziert. Wie viele Menschen, die an der Erstürmung des Parlament-Eingangsportals beteiligt waren, insgesamt identifiziert oder möglicherweise sogar festgenommen wurden, konnte die Polizei auf Anfrage zunächst nicht mitteilen.

Dafür muss sich nach Tagesspiegel-Informationen ein Pressefotograf einer großen Nachrichtenagentur wegen einer Anzeige wegen Landfriedensbruch verantworten: Er hatte am 29. August die Erstürmung der Treppen fotografiert, wurde auf den Intranet-Bildern erkannt und für einen Protestierenden gehalten.

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