zum Hauptinhalt
Horst Seehofer startet mit der Neuauflage der Islam-Debatte ins Amt.
© Christof Stache, AFP

Umstrittene Islam-Aussagen des Innenministers: Horst Seehofer eröffnet die Diskussion neu

Seehofer sagt, der Islam gehört nicht zu Deutschland. Merkel und die SPD gehen auf Distanz zum Innenminister. Nur die AfD stimmt zu.

Man sollte ja denken, so ein Satz und der Streit um ihn hätten sich allmählich totgelaufen. Doch Christian Wulffs Vermächtnis als Bundespräsident aus dem Jahr 2010 scheint auch ein knappes Jahrzehnt später immer noch Provokation genug, um sich daran zu reiben. Ob der Islam zu Deutschland gehöre, hat die „Bild“-Zeitung Horst Seehofer gefragt, und der springt nur zu gerne über das Stöckchen. „Nein“, sagt Seehofer, „der Islam gehört nicht zu Deutschland.“

Er fügt dann zwar noch hinzu, dass „die bei uns lebenden Muslime“ aber „selbstverständlich“ dazu gehörten, dass gegenseitige Rücksichtnahme und Dialog wichtig seien und er diesen in der Islamkonferenz unbedingt fortsetzen wolle. Den Dominoeffekt empörter Reaktionen hält das nicht auf.

Opposition spricht von einer Scheindebatte

Ausgrenzung werfen ihm Grüne und Linke vor, über eine „Scheindebatte“ schimpfen Grüne, Linke, SPD und FDP und wittern Anbiederung an die AfD. Nur die AfD ist einverstanden: „Diese Botschaft hat Horst Seehofer wortwörtlich unserem Grundsatzprogramm entnommen“, sagt André Poggenburg, der selbst in der eigenen Truppe so weit rechts steht, dass er seine Spitzenposten in Sachsen-Anhalt räumen musste.

Nun ist Seehofer erfahren genug, um zu wissen, was so ein Satz auslöst. Man muss ihn also als bewusste Reviermarkierung werten. Das wäre weiter nicht bemerkenswert, hätte ihn nur der CSU-Vorsitzende mit Blick auf die Bayern-Wahl in einem guten halben Jahr gesagt. Der hat sich die Verteidigung eines imaginären Abendlandes schon länger auf die Fahne geschrieben, auch wenn so recht nicht erkennbar ist, wo in einem Land, in dem sich mehrere Bundesländer gerade einen christlichen Feiertag neu geben, die akute Gefahr für althergebrachte Sitten und Gebräuche herkommen soll. „Wenn jemand den freien Sonntag in Frage stellt, dann ist das der Einzelhandel, aber nicht die Muslime“, merkt die Linken-Politikerin Christine Buchholz bissig an.

So weit also alles beim Alten; auch die Gewohnheit, den braven Bayern so etwas wie die Hauptstadt Berlin als Multikulti-Geisterbahn auszumalen, zählt zu den altbekannten christsozialen Wahlkampfmethoden. Nur beackert Seehofer neben der CSU ja neuerdings in eben dieser Hauptstadt noch zwei weitere, bundesweite Reviere, zuständig für „Heimat“ und für innere Sicherheit.

Das lässt den Satz denn auch gleich in einem etwas anderen Licht erscheinen. Die Kanzlerin lässt prompt ausrichten, dass die Aussage ihres neuen Ministers nicht die Haltung der Regierung widerspiegele. Historisch, erläutert Regierungssprecher Steffen Seibert, sei Deutschland natürlich christlich und jüdisch geprägt. Aber heute lebten Millionen von Muslimen hier, und „auf der Basis unserer Werte und Rechtsordnung“ gehöre eben inzwischen ihre Religion zum Land.

Türkische Gemeinde ist empört

Auch der Koalitionspartner SPD nutzt die Gelegenheit, sich abzugrenzen. „Wir sind nicht Nordkorea oder der Sudan, bei uns hat die Religionsfreiheit Verfassungsrang“, schimpft SPD-Vize Ralf Stegner. „Dass der Heimatminister sich als Erstes mit Ausgrenzung beschäftigt, statt sich um die zu kümmern, die hier leben, ist doch bezeichnend.“

Die, die mit dem Satz gemeint sind, äußern sich eher zurückhaltend und leise. Dafür ist die Kritik, die die Türkische Gemeinde in Deutschland übt, um so zielgenauer. Gerade häuften sich Anschläge auf Moscheen und türkisch-muslimische Einrichtungen, erinnert der Vorsitzende Gökay Sofuoglu, gerade sehe sich der Zentralrat der Muslime genötigt, aus Sicherheitsgründen Büros zu schließen. „In so eine Zeit so eine Erklärung abzugeben, ist in jedem Fall etwas unglücklich.“

Das Signal sei einfach falsch: Es gehe nicht darum, wieder und wieder historisch zu definieren, ob der Islam zu Deutschland gehöre oder nicht. „Sondern es geht darum, ob Seehofer Innenminister aller in Deutschland lebenden Menschen sein wird oder nicht.“ Und da werde er, sagt Sofuoglu, jetzt das Gefühl nicht los, dass der Minister Unterschiede machen wolle und „nicht alle meint“.

Zur Startseite