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Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) kommt am 09.10.2015 zu einer Sondersitzung des Kabinetts in der Staatskanzlei in München (Bayern). Thema der Sondersitzung ist die aktuelle Flüchtlingssituation.
© dpa
Update

Flüchtlinge in Deutschland: Horst Seehofer droht mit Verfassungsklage

CSU-Chef Seehofer stellt sich weiter gegen die Politik von Kanzlerin Angela Merkel. "Heiße Luft" nennt Justizminister Maas die Drohungen.

CSU-Chef Horst Seehofer hat seine Forderung nach einer Limitierung der Zuwanderung verstärkt. "Eine Begrenzung der Zuwanderung ist unerlässlich", sagte er am Nachmittag nach einer Sondersitzung des bayerischen Kabinetts. Vor allem mit Blick auf die Sicherheitslage sei dies notwendig, wie er unter Bezug auf Gespräche mit den Sicherheitsbehörden in Bayern erklärte. Dabei gehe es nicht so sehr um Terror, sondern um Kriminalität insgesamt.

Seehofer kündigte ein Maßnahmenpaket an. Dazu zählte eine Stärkung der Bereiche Sicherheit, Integration, Bildung und Soziales. Auch solle es einen Beschäftigungspakt mit der bayerischen Wirtschaft geben. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) forderte die Aufrechterhaltung der Grenzkontrollen. Außerdem erklärte er, dass sich Bayern den Gang nach Karlsruhe vor das Bundesverfassungsgericht vorbehalte, wenn die geltenden Regeln und Gesetze nicht wieder eingehalten würden. Seehofer unterstützte diese Haltung. "Der Ernst der Lage wird jeden Tag sichtbar und wir meinen unsere Maßnahmen und Forderungen ernst - auch die Verfassungsklage."

Sein Verhältnis zu Angela Merkel beschreibt Seehofer als "vernünftig". Man stehe im Austausch auch über die unterschiedlichen Standpunkte. Trotzdem setzte Seehofer einige Nadelstiche gegen Angela Merkel. So habe er den Auftritt von Merkel am Mittwoch in der ARD nicht gesehen, da er in seiner Freizeit kein Fernsehen schaue. Und Seehofer betonte, dass die Bevölkerung keine warmen Worte wolle, sondern Handlung.

Damit stellt sich Seehofer weiter gegen die Position von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die nicht von einer Begrenzung spricht. Bereits am Morgen hatte CSU-Chef Horst Seehofer den Konfrontationskurs mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verschärft. Das bayerische Kabinett soll nach dem Willen des Ministerpräsidenten an diesem Freitag "Maßnahmen zur Bewältigung der Flüchtlingssituation beschließen", wie Seehofer auf seiner Facebook-Seite schreibt.

Weiter heißt es in dem Post: "Da geht es um Integration, Bildung und Ausbildung. Hinzu kommen ausdrücklich auch Maßnahmen der Notwehr zur Begrenzung der Zuwanderung, wie etwa Zurückweisungen an der Grenze zu Österreich und unmittelbare Weiterleitung neu eintreffender Asylbewerber innerhalb Deutschlands."

Seehofer hatte am Donnerstag, als das Bundeskabinett beschloss, die Organisation der Flüchtlingspolitik im Kanzleramt anzusiedeln, von „Notwehr“ gesprochen und „Notmaßnahmen“ Bayerns angekündigt, wenn die Flüchtlingszahlen nicht begrenzt würden.

Der "Bild" sagte Seehofer außerdem mit Blick auf Kanzlerin Merkel: "In den Flüchtlingslagern in Nahost ist durch falsche Signale aus Deutschland eine Sogwirkung entstanden mit der Botschaft: Die Deutschen wollen ja, dass wir kommen." Viele Gesten aus Berlin seien als Einladung verstanden worden. "Deshalb muss Angela Merkel jetzt auch ganz klar sagen: Wir bleiben human, wir helfen, aber unsere Möglichkeiten sind begrenzt".

An einer Begrenzung der Zuwanderung führe kein Weg vorbei, sagte Seehofer. "Einfach sagen: Wir haben Völkerwanderung und kriegen das hin - das wird nicht gelingen. Nicht bei der Zahl von Flüchtlingen, und nicht bei der Geschwindigkeit, mit der sie kommen."

Stegner: "Seehofer ist nicht König Ludwig II."

Erwartungsgemäß erzeugt der CSU-Chef mit seinen Äußerungen Gegenwind, im Morgenmagazin von ARD und ZDF sagte SPD-Vize Ralf Stegner: "Herr Seehofer ist nicht König Ludwig II, und wir sind nicht Neuschwanstein." In der Flüchtlingsfrage sehe er sich und die SPD "ganz nah bei Merkel". Fraglich sei, wie weit die Union noch hinter der Kanzlerin stehe. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) zeigte sich von den Forderungen des Koalitionspartners wenig beeindruckt. Das Problem lasse sich „sicher nicht nachhaltig und wirksam an der Grenze zwischen Deutschland und Österreich lösen“, betonte er. Stattdessen müssten die EU-Außengrenzen besser geschützt werden – etwa durch eine europäische Küstenwache. Gelassen reagierte de Maizière auch auf die Drohung, notfalls das Bundesverfassungsgericht anzurufen. Das, so stellte er klar, könne hierzulande schließlich jeder tun. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) bezeichnete die von Bayern angedrohte Verfassungsklage als „heiße Luft“ . „Wir haben keine Zeit, uns mit solchen Verbalattacken auseinanderzusetzen.“

Neben der Kanzlerin greift die CSU in der Flüchtlingspolitik auch massiv Österreich an. Bayerns CSU-Innenminister Joachim Herrmann warf dem Nachbarland vor, „das europäische Recht zu missachten“, indem es Flüchtlinge einfach durchwinke nach Bayern.

In Bayern steht jetzt zur Debatte, aus Österreich kommende Flüchtlinge wieder in Busse zu setzen und zurückzufahren. Schließlich, so die bayerische Argumentation, sei der Alpenstaat ein sicheres Land, in dem Asyl beantragt werden könne.

Es ist schon traurig genug, dass die EU sich nicht einig ist. Anstatt nun gemeinsam eine Lösung zu finden, versucht die CSU einen Alleingang. ... Deutschland ist stark genug, aber nur, wenn man zusammenarbeitet.

schreibt NutzerIn Tagtraeumer

An den bayerischen Grenzen sollen „Transitzonen“ errichtet werden – ähnlich wie auf Flughäfen. Damit könnten Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive umgehend abgewiesen werden. Diesen Vorschlag hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière auch schon gemacht. Es wäre rechtlich allerdings mehr als fraglich, wenn Bayern dies im Alleingang umsetzen würde. Kontrollen und Schutz der Grenzen sind Angelegenheit des Bundes.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gegen Transitzonen

Auch die EU-Kommission hatte zuletzt erklärt, solche Zonen seien dauerhaft nicht mit europäischem Recht vereinbar. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wandte sich beim Besuch eines Erstaufnahmezentrums im bayerischen Passau gegen Grenzschließungen: „Wir hatten lange genug eine Mauer in Europa. Und wir brauchen erst recht keine zu Mitgliedsstaaten der Europäischen Union.“

Die CSU moniert schon länger auch die aus ihrer Sicht ungenügende Bereitschaft anderer Bundesländer, ihre Quote für die Aufnahme von Asylbewerbern zu erfüllen. Nun diskutieren die Christsozialen darüber, Züge mit Flüchtlingen an Zielorte außerhalb Bayerns zu steuern.

Die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner warnte vor den Folgen einseitiger Schritte: „Wenn Deutschland den Zugang verschärft, muss das selbstverständlich auch Österreich machen.“ Flüchtlinge, die über den Balkan kämen und einen Asylantrag stellten, müssten mit Rückführung dorthin rechnen. Da Österreich für viele nicht Zielland ist, „kann das zu Konflikten an der Südgrenze führen“, sagte die ÖVP-Politikerin dem Tagesspiegel. In anderen Ländern an der Balkanroute habe sich gezeigt, wenn man verstärkt kontrolliere und registriere, „dann gibt es auch Flüchtlinge, die sich dem widersetzen, auch mit Gewalt. Dann muss auch die Polizei dagegenhalten, maßhaltend zwar, aber doch.“

Mikl-Leitner stimmte Seehofer in der Einschätzung der Motive vieler Flüchtlinge aber ausdrücklich zu: „Seehofer beschreibt genau das Problem, das wir jetzt haben.“ Es gehe „kaum mehr um Schutzsuche, sondern um die Suche nach dem wirtschaftlich attraktivsten Land. Und das müssen wir beenden,“ sagte sie und sprach von „Asyl-Optimierung“.

Tschechien verstärkt Kontrollen an der Grenze zu Österreich

Unterdessen hat Tschechien angekündigt, seine Kontrollen an der Grenze zu Österreich verstärken. Ab dem Wochenende werde es an 20 Übergangspunkten stichprobenartige Kontrollen geben, teilte das Innenministerium in Prag mit. "Es geht um die Ausweitung einer bereits ergriffenen Maßnahme."

Bisher gab es die Kontrollen den Angaben zufolge an 14 Übergangspunkten, sie waren im September eingeführt worden. Das Innenministerium betonte, dass es aber weiterhin nur stichprobenartige Kontrollen geben solle. Es gehe nicht um eine Wiedereinführung kompletter Grenzkontrollen. Ob die Maßnahme im Zusammenhang mit der Ankündigung Bayerns steht, Flüchtlinge wieder nach Österreich zurückzuschicken, ist nicht klar. (mit AFP)

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