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Horst Seehofer.
© Christoph Schmidt/dpa

Streit um Reform der Erbschaftsteuer: Horst Seehofer allein unterwegs

Der bayerische Ministerpräsident will weitere CSU-Forderungen bei der Erbschaftsteuer durchsetzen. Die SPD aber lehnt Gespräche mit ihm ab. Auch Finanzminister Schäuble ist skeptisch.

Horst Seehofer will, nach dem offenbar ergebnislosen Spitzengespräch auf Unions-Ebene am Mittwoch, über die Erbschaftsteuer nun mit der SPD reden. Der CSU-Chef sieht noch deutlichen Änderungsbedarf, obwohl die zuständigen Fraktionsspitzen im Bundestag sich bereits auf eine Reform der Besteuerung von Unternehmenserben geeinigt hatten. „Wir haben vor, mit der SPD zu reden, und dann wird man beurteilen können, ob es zu einem Kompromiss kommt“, zitierte die Deutsche Presse-Agentur den bayerischen Ministerpräsidenten. Aber will auch die SPD mit Seehofer reden? Möglicherweise nicht. Oder zumindest nicht jetzt.
Gesprächspartner wäre SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel. Aus dem Bundeswirtschaftsministerium heißt es aber, es gebe einen Kabinettsbeschluss , der mit dem zuständigen Bundesfinanzminister abgestimmt sei. In Gabriels Ressort ist man der Ansicht, Seehofer müsse sich, wenn er denn Änderungen wolle, an Wolfgang Schäuble wenden. Das Ergebnis dieses Gesprächs könne dann in die parlamentarischen Beratungen eingebracht werden. Die freilich, bis zum Veto Seehofers vor einer Woche, praktisch schon abgeschlossen waren. Schäuble war am Mittwoch in der Unions-Runde dabei. Im Finanzministerium ist man mit dem Ergebnis, das die Koalitionsfraktionen Mitte Februar erarbeitet hatten, durchaus zufrieden.

Kurioses Verfahren

Als das Kabinett den Entwurf Schäubles im vorigen Juli beschloss, war es zu einem kuriosen Verfahren gekommen: Sowohl die Minister der CSU als auch die der SPD gaben Protokollerklärungen ab, ein ungewöhnlicher Vorgang. Die CSU-Seite verlangte in fünf Punkten Verbesserungen für Unternehmenserben, die SPD-Minister stellten klar, dass weitere Vergünstigungen für reiche Erben mit ihnen nicht zu machen seien. Den Kompromiss, den die zuständigen Vizevorsitzenden der Fraktionen, Ralph Brinkhaus (CDU) und Carsten Schneider (SPD) zusammen mit CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt Mitte Februar vereinbart hatten, kam dann der CSU nochmals entgegen - etwa mit der Einfügung einer Klausel, wonach im Erbschaftsfall Investitionsrücklagen zum steuerlich begünstigten Vermögen zählen. Die SPD zeigte sich in einer ganzen Reihe von Punkten flexibel, bestand aber im Gegenzug auf Verschärfungen bei der Regelung, wonach eine mögliche Verschonung von der Steuer mit wachsendem Erbschaftswert abgeschmolzen wird - und zwar bis auf null ab einem Erbwert von mehr als 99 Millionen Euro. Aus Sicht der SPD blieben damit Zugeständnisse an die Union und die Unternehmerverbände und die durchgesetzten Verschärfungen (die vor allem die reichsten Erben betreffen) im Gleichgewicht. Im Ergebnis standen Erleichterungen für Unternehmer bei der Bemessungsgrundlage der Steuer einer Verschärfung bei der tatsächlichen Besteuerung entgegen.

Die CSU will immer noch mehr

Seehofer hätte zufrieden sein können, aber es reicht ihm nicht. Nach einer Unterredung mit Vertretern der Familienunternehmer reichte er in der vorigen Woche eine Liste mit acht Zusatzforderungen nach Berlin weiter. Praktisch alle Punkte werden in den Koalitionsfraktionen freilich als nicht verfassungskonform angesehen. Ziel der Koalition ist es aber, mit der Reform (die auf ein Urteil aus Karlsruhe zurückgeht) nicht wieder vor dem Verfassungsgericht zu landen. Der Unmut über die CSU ist nicht nur bei der SPD, sondern auch in der CDU im Bundestag beträchtlich. Ob aus dem Seehofer-Katalog noch einige Detailpunkte in den Koalitionskompromiss aufgenommen werden können, ist unklar. Dass etwa die Investitionsklausel auch im Fall von Schenkungen angewendet wird, ist kaum anzunehmen - das könnte die ohnehin hohe "Gestaltungsanfälligkeit" der Erbschaftsteuer erhöhen, also einen weiteren Weg zur Umgehung von Steuerzahlungen eröffnen. Vor den Landtagswahlen am 13. März wird sich wohl nichts mehr bewegen.

Was macht Karlsruhe?

Und wenn sich auch danach nichts bewegt? Dann wächst der Druck, denn Karlsruhe hat eine Reform bis zum 30. Juni 2016 verlangt. Bis dahin müsste nicht nur der Bundestag zustimmen, sondern auch der Bundesrat. Dass das Erbschaftsteuergesetz insgesamt nicht mehr gilt, sollte keine Neuregelung erfolgen, wird von Juristen durchaus vertreten. Offenbar sieht das auch die bayerische Staatskanzlei so. Die Steuer könnte dann wegen fehlender Gesetzesgrundlage nicht mehr erhoben werden. Eine Analyse des Wissenschaftlichen Dienstes beim Bundestag kommt allerdings zu dem Ergebnis, dass die Richter auch die Frist für den Gesetzgeber verlängern können (womit das Gesetz zunächst anwendbar bliebe) oder aber eine eigene Übergangsregelung veranlassen, sozusagen als Notgesetzgeber anstelle von Bundestag und Bundesrat. Dass die Verschonungsregeln für reiche Erben dann günstiger wären als der von Seehofer und der CSU jetzt kritisierte Fraktionskompromiss, ist kaum anzunehmen. Denn der Tenor des Karlsruher Urteils vom Dezember 2014 war ja, dass es Grenzen der Verschonung geben muss.

Was aber würde ein Gespräch zwischen Seehofer und Schäuble bringen? Ein Hinweis darauf gab der Bundesfinanzminister nach der Unions-Runde am Mittwochabend auf einer Veranstaltung in Braunschweig. Dort sagte er: „Was geschehen würde, wenn bis zum 30. Juni 2016 keine gesetzliche Neuregelung gefunden ist, hat das Verfassungsgericht nicht ausdrücklich gesagt. Manche haben daraus gefolgert: Wenn man keine Neuregelung macht, fällt das geltende Erbschaftsteuerrecht weg. Ich glaube, dass das eine Hoffnung ist, auf die ich nicht setzen würde." Schäuble glaubt, dass es ohne eine Einigung in der Koalition zu einer "wesentlichen Verschlechterung" aus Sicht der Unternehmenserben kommen könnte, "weil dann unter Umständen die Verschonungsregeln insgesamt infrage stehen würden". So sieht es auch die SPD.

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