Salafisten als gemeinsames Feindbild: Hooligans und Neonazis setzen sich mit Gewalt auf die Agenda
Die Hooligans und Neonazis, die in Köln gegen Islamismus demonstrierten, wollten sich in Szene setzen und fühlten sich auf der richtigen Seite. Dabei haben sie vieles mit Salafisten gemein. Ein Kommentar.
Argumente waren nicht zu hören, Parolen dagegen schon. Als am Sonntag in der Kölner Innenstadt 4500 Hooligans randalierten, sah man Glatzen, Tattoos, schwarze Kleidung, hörte Sprechchöre wie diesen: „Wir wollen keine Salafisten-Schweine!“ Und man las sattsam bekannte rechtsradikale Sprüche wie „Ausländer raus!“ oder „Hier marschiert der Nationale Widerstand“. Weitgehend widerstandslos überließ die Polizei jenen das Feld, die nach der Methode Flashmob unerwartet viele Anhänger aus dem ganzen Land mobilisiert hatten. Sie hinterließen Dutzende von Verletzten, Scherben, verbeulte Autos.
Szenekenner diagnostizieren eine Renaissance gewaltbereiter Alt-Hooligans. Aus den Fußballstadien verbannt, werden neue Allianzen auf der Straße gesucht. Im Mai wurde so die „HoGeSa“ gegründet, die Gruppe „Hooligans gegen Salafisten“. Mit dabei waren am Sonntag auch rechtsradikale Hooligans aus Dortmund, organisiert von Leuten wie Siegfried Borchardt, der als „SS-Siggi“ bekannt ist.
Diagnose: Politisches Hijacking
Die Diagnose ist klar: Politisches Hijacking. Während schockierende Szenen der IS-Terrormilizen in Syrien die Weltöffentlichkeit aufwühlen und immer mehr verirrte Jugendliche in Europa die Dschihadisten irgendwie cool finden, ist der Schockfaktor der Hooligans ins Hintertreffen geraten. Dass viele Subgruppen mit dem Stadionverbot die Hoheit über die Rechtskurve verloren haben, erhöht noch deren narzisstischen Zorn, nicht mehr wahrgenommen zu werden.
Mit dem Rezept, krawalligen Straßenterror gegen den großen, medial omnipräsenten IS-Terror anzuzetteln, haben die „Hools“ sich wieder auf die Agenda gesetzt. Ihre PR-Strategie scheint zu lauten: Dass wir diesen Feind im Visier haben, müssten doch alle begrüßen!
Doch demonstriert gegen den Islamismus haben die Falschen. Noch fehlt ein breites Bürgerbündnis aus Parteien, Gewerkschaften, religiösen Verbänden. Wo bleiben sie? Solange sie fehlen, nutzen Rechtsradikale und Hooligans ein politisches Vakuum aus. Auch manche Polizisten schien es zu irritieren, dass der Feind ihrer Feinde keineswegs ein Freund der Demokratie ist. Ein HoGeSa-Fan schreibt auf Facebook, man wolle „dieser Drecksbrut zeigen, wie hart deutscher Stahl ist“.
Der Rechtsstaat sollte sich nicht beeindrucken lassen von den neuen Parolen
Doch mit den Sympathisanten des Salafismus haben die Hooligans und ihre rechtsradikalen Beiboote mehr gemein, als sie sich eingestehen möchten. Schnittmengen finden sich auf sämtlichen präpolitischen, primitiven Gebieten: Antisemitismus, Homophobie, Frauenfeindlichkeit, Autoritätssehnsucht, Lynchjustizmentalität, konservative Familienmodelle, eklatante Minderwertigkeitskomplexe. Ein toxischer Katalog. Er erinnert an dumpfe Science-Fiction-Szenarios, wo diffuse Schlägerbanden einander in den nächtlichen Ruinen der Postmoderne bekriegen. Ausgestattet sind diese Trupps typischerweise mit sinnleeren Stummeln von Ideologien wie Bandenehre, mit Fragmenten irgendwelcher Weltanschauungen, die irgendwann irgendeinen Anspruch reklamiert haben.
Ein demokratischer Rechtsstaat sollte sich von den neuen Parolen des Hooliganismus nicht beeindrucken lassen. Immerhin hat die Exekutive inzwischen in 60 Fällen Anzeige gegen Randalierer erstattet. Auf Videos sind sie gut zu erkennen. Sie kamen unvermummt, offensichtlich in der Hoffnung auf Straffreiheit. Doch Straffreiheit darf es weder für gewalttätige Salafisten geben, noch für gewalttätige Hooligans und Rechtsradikale.
Caroline Fetscher