Streit um Abschiebepraxis: Hohe Kosten für Rückführung einzelner Flüchtlinge
Nicht immer werden abgelehnte Asylbewerber per Linienflug in ihre Heimat abgeschoben. Manchmal wird für nur eine Person ein Flugzeug gechartert. Die Opposition kritisiert das als "völlig unverhältnismäßig".
Am 3. März 2016 startete in Deutschland ein Flugzeug mit nur drei Passagieren und einigen Begleitern nach Guinea. Allein die Charterkosten betrugen 165.500 Euro. Bei den drei Passagieren handelte es sich allerdings nicht um Geschäftsleute, wie man vermuten könnte, sondern um abgelehnte Asylbewerber. Um sie in ihre Heimat abzuschieben, mietete die Bundespolizei extra ein Flugzeug. Das ist kein Einzelfall, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Frage des Linkenabgeordneten Niema Movassat in einer Fragestunde im Bundestag Mitte Februar hervorgeht. Zehn Charterflüge mit maximal fünf Abschiebekandidaten fanden demnach 2016 statt.
So kostete die Abschiebung eines Kameruners am 20. Juli 2016 knapp 71.000 Euro. Der Transport eines Algeriers, der am 21. Januar 2016 nach Bulgarien zurückgeschoben wurde, belief sich auf 21.105 Euro. Ein mit drei abgelehnten Asylbewerbern besetztes Flugzeug nach Bangladesch wurde sogar für 220.632 Euro gemietet. Movassat spricht von „exorbitant hohen Kosten“. „Diese Summen sind völlig unverhältnismäßig, um einzelne Personen abzuschieben“, sagte er dem Tagesspiegel. Die vom Bundesinnenministerium genannten Zahlen beziehen sich dabei allein auf die Chartergebühren. Weitere Kosten, etwa für begleitende Bundespolizisten, sind darin noch nicht erhalten. „Die Darstellung der Gesamtkosten“ sei nicht möglich, da hierzu die Länder beitragen müssten, heißt es in der Antwort der Bundesregierung.
Wer sich wehrt, kann nicht Linie fliegen
Die Ausgaben für solche Rückführungen, heißt es weiter, würden „zwischenzeitlich“ größtenteils von der EU-Grenzschutzagentur Frontex refinanziert. Für Movassat ändert das nichts, schließlich werde Frontex wiederum von Deutschland mitfinanziert. „Letztlich sind auch das Steuergelder“, sagt er. Das Bundesinnenministerium äußerte sich am Montag nicht zu den Gründen für die Einzelabschiebungen. Meist werden solche Einzelflüge eingesetzt, wenn sich Abschiebekandidaten gegen ihre Rückführung wehren und gewalttätig werden oder werden könnten. Eine Abschiebung in einer Linienmaschine kommt dann nicht in Betracht. So wurde im Januar diesen Jahres auch der 82.000 Euro teure Flug für zwei Malier nach Bamako begründet. Movassat verweist allerdings auf ein Video, das zeige, dass sich einer der Männer bei einem Abschiebeversuch mit einem Linienflug in einer Air-France-Maschine ruhig verhalten habe, während andere Passagiere gegen das Verhalten der Polizei protestiert hätten. „Das scheint mir eher der Grund für diese und andere gescheiterte Abschiebungen zu sein“, sagt er. Einer der Männer lebte nach Angaben Movassats seit 13 Jahren in Deutschland. „Er hatte einen Arbeitsvertrag und war gut integriert. Es ist völlig unsinnig, so jemand abzuschieben.“
Bamf soll Handydaten auslesen dürfen
Da immer wieder Asylbewerber falsche Angaben zu ihrer Identität machen, soll das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) derweil die Möglichkeit erhalten, Handys von Asylbewerbern auszulesen. Das geht aus einem Gesetzentwurf des Ministeriums hervor, den die „Süddeutsche Zeitung“, der WDR und der NDR am Montag öffentlich machten. Ein Ministeriumssprecher sagte, es gehe um Einzelfälle. Man sei sich bewusst, dass es sich um Eingriffe in einen Kernbereich privater Lebensgestaltung handele. Auch der Aufwand sei hoch.
Die Parteivorsitzende der Linken, Katja Kipping, kritisierte das Vorhaben: „Das ist eine moderne, technisch aufgepeppte Version davon, alle Tagebücher zu lesen und alle Briefe zu öffnen.“ Allerdings: Ausländerbehörden können auch jetzt schon Handydaten auslesen, wie das Ministerium mitteilte. Laut Aufenthaltsgesetz muss das Auslesen der Daten von einem Volljuristen erfolgen. Bei dem Gesetzesplan eilt es wegen des bevorstehenden Endes der Legislaturperiode mit der Bundestagswahl im Herbst. Seinem Ministerium sei bewusst, „dass wir zeitlich unter enormem Druck stehen“, sagte der Sprecher von Innenminister Thomas de Maizière (CDU) weiter. Auch die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl hatte das Vorhaben kritisiert.