Griechenland: Hoffnung für das Protektorat
Nur wenn das neue Rettungsprogramm mehr Investitionen als Einsparungen ermöglicht, kann die Sanierung der griechischen Wirtschaft gelingen. Dafür sollte der Bundestag den Weg frei machen. Ein Kommentar
Dieser Vorgang wird in die griechische Geschichte eingehen. Das Parlament in Athen hat sich dem Diktat aus Brüssel gebeugt. Binnen 48 Stunden hat die Mehrheit der Abgeordneten, davon manche unter Tränen, einer weiteren Kürzung der Renten, einer drastischen Erhöhung der Mehrwertsteuer und der Unterwerfung ihrer Regierung unter die Kontrolle der Technokraten aus Internationalem Währungsfonds (IWF), EU-Kommission und EZB zugestimmt. Wenn nun auch der Bundestag und die Parlamente der anderen Euro-Länder die Vereinbarung billigen, dann soll Hellas neue Milliardenkredite erhalten, um die alten abzulösen und weiter Teil der Euro-Zone zu bleiben. Dafür verliert das Land seine Souveränität und wird zum Protektorat der übrigen Euro-Staaten.
Doch damit ist weder für die Griechen noch für ihre Gläubiger irgendetwas gewonnen. Denn in der bisher vereinbarten Form setzt das Programm die gleichen Fehler fort, an denen schon die vorherigen gescheitert sind. Nicht nur wird verhindert, dass Griechenlands politische Klasse selbst die Verantwortung für die Modernisierung ihres Staates übernimmt. Zudem werden die verfügten Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen das Land noch tiefer in die Rezession stürzen und so die Schuldenquote weiter in die Höhe treiben. Das aber nimmt der griechischen Volkswirtschaft genau das, was sie am dringendsten braucht: die Sicherheit der Währung. Solange Unternehmen und Investoren nicht wissen, ob sie ihre Erlöse auch in zehn Jahren noch in Euro erhalten, werden sie nicht mal in einen neuen Kiosk investieren, geschweige denn in Hotel- oder Energieanlagen.
IWF-Chefin Christine Lagarde fordert Logisches
Ohne Investitionen und Wachstum wird der griechische Staat aber niemals in der Lage sein, auch nur einen Teil seiner Schulden zu bezahlen. Die vermeintliche Rettung würde den „Grexit“ nur verschieben, aber nicht verhindern. Darum ist es nur logisch, dass IWF-Chefin Christine Lagarde fordert, das Sanierungskonzept endlich auf eine langfristige Grundlage zu stellen und die Schuldenlast auf ein realistisches Maß zu senken. Wenn ein Schuldenerlass aus rechtlichen Gründen nicht möglich ist, tut es auch ein Zahlungsmoratorium von 30 Jahren, wie die IWF-Experten listig vorschlagen.
Selbst das würde aber noch nicht reichen. Darüber hinaus bedarf es des schnellen Einsatzes jener für Griechenland bestimmten 35 Milliarden Euro aus dem EU-Strukturfonds, die bisher nicht abgerufen werden konnten, weil Athen die vorgeschriebene Kofinanzierung nicht leisten kann. Darum wäre es vernünftig, mithilfe der Europäischen Investitionsbank sinnvolle Projekte für öffentliche Investitionen auszumachen und die Pflicht zur Kofinanzierung für diese Vorhaben auszusetzen. Nur wenn es damit gelingt, mehr zu investieren als einzusparen, hat Griechenland Aussicht auf wirtschaftliche Besserung.
Schäuble erzeugt Unsicherheit
Vor diesem Hintergrund ist es richtig, wenn der Bundestag Ja sagt zur Aushandlung eines Programms, das Griechenland zumindest Hoffnung verschafft – so wie es auch der IWF fordert. Dazu muss Kanzlerin Merkel aber auch ihren Finanzminister in die Schranken weisen. Denn Schäuble wirbt weiter für den „Grexit“ und erzeugt damit genau die Unsicherheit, an der die griechische Wirtschaft erstickt. Bliebe es dabei, dann werden die rund 80 Milliarden Euro, mit denen die Bundeskasse für Griechenlands Schulden haftet, ganz sicher fällig.
Die Chronik des gestrigen Tages in der Griechenland-Krise lesen Sie hier.