BIP sinkt um 32,9 Prozent: Historischer Konjunktureinbruch in den USA
Im zweiten Quartal 2020 ist die US-Wirtschaft so stark eingebrochen, wie noch nie zuvor. Besonders der Konsum ging zurück, was offenbar am Corona-Lockdown lag.
In den USA ist die Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal infolge der Coronavirus-Pandemie in noch nie da gewesenem Ausmaß eingebrochen.
Von April bis einschließlich Juni schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) aufs Jahr hochgerechnet um 32,9 Prozent ein, wie die US-Regierung am Donnerstag in einer ersten Schätzung mitteilte.
Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten mit einem Minus von 34,1 Prozent gerechnet.
Insbesondere der Konsum, eigentlich eine der tragenden Säulen der Wirtschaft, brach wegen der Kontaktbeschränkungen und Maßnahmen zur sozialen Distanz im Frühjahr ein. Der private Verbrauch verringerte sich um 34,6 Prozent zum ersten Quartal.
Auch die Investitionen und das Außenhandelsgeschäft litten massiv unter den Folgen der Pandemie, die angesichts einer hohen Zahl von Neuinfektionen in den USA noch nicht ausgestanden ist.
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Im ersten Vierteljahr war die US-Wirtschaft aufs Jahr hochgerechnet bereits um 5 Prozent geschrumpft. Die Zuspitzung der Corona-Pandemie ab Mitte März stürzte die USA dann aber in eine schwere Wirtschaftskrise. In der zweiten Maihälfte und im Juni gab es bereits wieder Zeichen einer Erholung.
Seit Ende Juni hat die Zahl der Neuinfektionen aber wieder dramatisch zugenommen, was zu neuerlichen Einschränkungen des Wirtschaftslebens geführt hat und das Wachstum erneut ausbremsen dürfte. Die Arbeitslosenquote lag im Juni bei 11,1 Prozent. Vor der Pandemie hatte sie noch bei 3,5 Prozent gelegen.
Vollständige Erholung der Wirtschaft „unwahrscheinlich“
Notenbankchef Jerome Powell hatte am Mittwoch bereits vor einem historischen Einbruch des BIP gewarnt. Er erklärte, die weitere Entwicklung der größten Volkswirtschaft der Welt sei wegen der Pandemie höchst unsicher. „Der Verlauf der Wirtschaft wird in sehr großem Ausmaß vom Verlauf des Virus abhängen“, sagte Powell. Ohne eine Eindämmung des Virus sei eine vollständige wirtschaftliche Erholung „unwahrscheinlich“, warnte er.
Auch in Deutschland war das BIP im zweiten Quartal in noch nie da gewesenem Ausmaß eingebrochen. Es schrumpfte im zweiten Quartal gegenüber dem Vorquartal um 10,1 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag in Wiesbaden in einer ersten Schätzung mitteilte. Es war der stärkste Rückgang seit Beginn der vierteljährlichen BIP-Berechnungen im Jahr 1970.
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Konjunkturabsturz in den USA: Biden beschuldigt Trump
US-Präsident Donald Trumps Regierung hofft indes auf eine rasche Erholung der größten Volkswirtschaft der Welt im dritten Quartal. Trump drängt daher trotz Pandemie auf eine rasche Normalisierung des Wirtschaftslebens. Analysten sehen die Hoffnung auf einen schnellen Aufschwung allerdings zumeist skeptischer.
Der designierte Präsidentschaftskandidat der US-Demokraten, Joe Biden, hat Donald Trumps Versagen als Staatschef für die beispiellose US-Wirtschaftskrise verantwortlich gemacht. Wenn der Präsident zu Beginn der Corona-Pandemie „sofort und entschlossen“ gehandelt hätte, hätten Zehntausende Menschen nicht sterben müssen und Millionen Amerikaner hätten ihren Job nicht verloren, erklärte Biden am Donnerstag.
„Die Tiefe der wirtschaftlichen Verheerung, die unser Land erfährt, ist nicht dem Handeln Gottes geschuldet, sondern dem Versagen der Führungsstärke des Präsidenten“, erklärte er. Trump bewirbt sich im November um eine zweite Amtszeit.
Streit um neues Konjunkturpaket zwischen Demokraten und Republikanern
In den USA werden derzeit täglich rund 60.000 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Betroffen sind vor allem Bundesstaaten im Süden und Westen des Landes, in denen rund ein Drittel der US-Bevölkerung lebt. Insgesamt gibt es Daten der Universität Johns Hopkins zufolge inzwischen 4,4 Millionen bestätigte Infektionen mit dem Erreger Sars-CoV-2 und rund 150 000 damit verbundene Todesfälle.
Der US-Kongress und die Regierung haben seit Beginn der Krise bereits Konjunkturpakete in Höhe von fast drei Billionen US-Dollar beschlossen. Das entspricht mehr als zehn Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung.
Derzeit gibt es im Kongress Verhandlungen über ein weiteres Paket. Die Vorstellungen von Republikanern und Demokraten dazu gehen aber noch weit auseinander. (dpa, Reuters)