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Daniel Häni ist Mitbegründer und Sprecher der Volksinitiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen in der Schweiz.
© Georgios Kefalas/dpa

Bedingungsloses Grundeinkommen: "Heute stehen wir am Anfang einer neuen Industriellen Revolution"

Alte Tugenden wie Fleiß, Disziplin, Gehorsam werden durch neue wie Eigenverantwortung und Kreativität ersetzt, meint Daniel Häni, Gründer der Schweizer Volksabstimmungs-Initiative über ein Grundeinkommen.

Herr Häni, warum ist das bedingungslose Grundeinkommen notwendig?

Vor 150 Jahren fand die erste Industrielle Revolution statt. Die Antwort darauf war der Sozialstaat durch Bismarck. Er musste auch erst erkämpft werden, zum Teil blutig, aber die Idee setzte sich am Ende durch. Heute stehen wir am Anfang einer neuen Industriellen Revolution, bei der es um die Digitalisierung geht. Und wieder fragen wir uns, was die Antwort sein könnte. Wir meinen: Es ist das bedingungslose Grundeinkommen. Die humanistische Antwort auf den technologischen Fortschritt.

Erklären Sie das doch bitte genauer.

Durch die Digitalisierung werden Algorithmen und Roboter in Zukunft einen großen Teil unserer Arbeit übernehmen – ob wir wollen oder nicht. Nur, was ist dann mit den Menschen? Die Tugenden Fleiß, Disziplin, Gehorsam werden ersetzt werden. Die neuen Tugenden werden Eigenverantwortung, Selbstbestimmung und Kreativität sein. Das bedingungslose Grundeinkommen kann das richtige Instrument sein, um sie zu fördern. Es wird weniger wichtig sein, fleißig zu sein, sondern, selbst zu denken und aus freien Stücken zu handeln. Das bedingungslose Grundeinkommen ist eine emanzipatorische Idee.

Trotzdem glauben Sie selbst nicht an eine Mehrheit bei der Abstimmung.

Es wäre naiv zu glauben, dass es auf Anhieb eine Mehrheit gibt. Alle großen Ideen in der Schweiz haben Zeit und mehrere Anläufe gebraucht. Ich verstehe Demokratie nicht als Gewinnspiel. Das Referendum wird ein Zwischenresultat zeigen.

Stellen wir uns einmal vor: Das bedingungslose Grundeinkommen wird eingeführt. Was dann? Wie würde es finanziert werden?

Die Finanzierungsfrage wird gern von den Gegnern eingebracht. Es heißt, es sei nicht finanzierbar, die Idee sei eine Utopie, ausgedacht von Spinnern. Das ist ein Ablenkungsmanöver. Wenn man will, ist das Grundeinkommen natürlich finanzierbar, weil es ja nicht mehr Geld ist, sondern das Bestehende, nur ohne Bedingungen.

Wie denn?

Es braucht eine Grundeinkommenskasse – so wie die Rentenkasse. Wie das Geld ausbezahlt wird, ist klar: Alle erhalten gleich viel, Kinder entsprechend weniger. Noch nicht geklärt ist die Frage, nach welcher Regel wir die Kasse füllen wollen.

Was sind die Ideen?

Gewohnt sind wir, die Steuer am Einkommen zu erheben: Jemand, der wenig verdient, würde weniger in die Kasse einzahlen, als er an Grundeinkommen ausbezahlt bekäme. Die andere Möglichkeit ist, am Verbrauch anzusetzen. Wer viel konsumiert, also viel Leistung für sich in Anspruch nimmt, zahlt mehr ein als er ausbezahlt bekommt. Insgesamt wäre es ein Nullsummenspiel.

Was präferieren Sie?

Für die Abstimmung lassen wir die Frage bewusst offen. Meiner Meinung nach ist Leistungsbesteuerung das alte Prinzip. Die Einkommensteuer ist ja nur eine indirekte Konsumsteuer. Deshalb ist meine Prognose, dass es über eine Verbrauchssteuer laufen wird.

Und die Kosten? Wie hoch würden sie sein?

Das Grundeinkommen kostet nicht Geld, sondern Vertrauen.

Man bräuchte doch aber eine riesige Behörde, die das organisiert.

Nein. Die Staatsquote wäre natürlich größer, weil ein Drittel der Einkommen über den Staat transferiert werden würde. Der Staat wäre quasi eine „Bedingungsloswäscherei“. Nur müsste niemand mehr überprüfen, ob eine Person Gelder vom Staat benötigt oder nicht, wie hoch die Summe sein dürfte, und was er dafür tun muss. Der Staat hätte nur noch die treuhänderische Aufgabe, das Geld ohne Bedingungen auszuzahlen.

Das klingt zu einfach um wahr zu sein.

Wahr ist aber auch, dass es kompliziert ist, aufs Einfache zu kommen.

Buchhinweis: Daniel Häni und Philip Kovce: Was fehlt, wenn alles da ist? Warum das bedingungslose Grundeinkommen die richtigen Fragen stellt, Orell Füssli, 2015

Das Interview führte Marie Rövekamp.

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