Prozess gegen Messer-Attentäter: Henriette Reker: "Fühlte, mir sei die Kehle durchgeschnitten worden"
Erstmals seit dem Messerangriff von Frank S. auf die aktuelle Kölner Oberbürgermeisterin trafen Täter und Opfer im Gerichtssaal zusammen. "Ich hatte das Gefühl, mir sei die Kehle durchgeschnitten worden", erklärte Henriette Reker in ihrer Zeugenaussage.
Sie betritt zügig den modernen, hallenartigen Gerichtssaal. Henriette Reker nimmt am Zeugentisch Platz, den fünf Meter entfernt sitzenden Angeklagten ignoriert sie. Frank S. hingegen schaut nervös auf sein Opfer, er senkt die Augen, dann starrt er Reker wieder an. Doch die Kölner Oberbürgermeisterin blickt jetzt zu den vor ihr sitzenden Richtern. Zwischen Reker, dunkelblauer Hosenanzug, helle Schuhe, gepflegte Frisur, und Frank S., Glatze, Cargohose, dunkelblaues Hemd, scheinen am Freitag Kilometer zu liegen.
Ein halbes Jahr nach dem Messerangriff von Frank S. in Köln auf die damalige Kandidatin für den Posten des Oberbürgermeisters treffen Opfer und Täter erstmals wieder aufeinander. Es ist der dritte Tag im Prozess im Hochsicherheitsgebäude des Oberlandesgerichts Düsseldorf, Rechtsextremist Frank S. muss sich wegen des Attentats vom 17. Oktober verantworten, das die Bundesanwaltschaft als versuchten Mord bezeichnet. Reker ist als Zeugin geladen. „Ich hatte am Anfang das Gefühl, mir sei die Kehle durchgeschnitten worden“, sagt sie, „das ist ja ein Synonym für eine Hinrichtung“.
Die parteilose Politikerin spricht klar und ruhig, die Beine übereinandergeschlagen, die Hände gefaltet auf dem Tisch. Sie verteilte an jenem Sonnabend an einem Wahlkampfstand der CDU orangefarbene Rosen, als Frank S. auf sie zukam. „Er fragte, ob er eine Rose bekommen könnte, sehr freundlich“, sagt Reker. „Ich reichte ihm die Rose, in Sekundenschnelle zog er das Messer und stach mir in den Hals“. Sie sei „sehr schnell zu Boden gegangen“, doch sie blieb bei Bewusstsein. „Ich habe die rechte Hand an die Wunde am Hals gesteckt.“ Und sie habe die Menschen gehört, „die sich um mich kümmerten“. Reker wollte offenbar wach bleiben, sich nicht aufgeben. In der Notaufnahme der Uniklinik habe sie gesagt, „dass ich gerne am nächsten Tag wählen würde“. Am Wahltag lag sie im künstlichen Koma, die Ärzte hatten in einer Notoperation Reker gerettet. Und sie gewann die Wahl.
Gerade weil Reker bei der Aussage souverän wirkt, fast schon unterkühlt, wird das Drama der Tat, die Deutschland erschreckte, schmerzhaft deutlich. Obwohl Reker in ihrer Aussage kaum Bezug darauf nimmt, dass Frank S. sie gezielt attackierte, um gegen die Flüchtlingspolitik der damaligen Beigeordneten für Soziales und Integration zu protestieren. Sie habe immer wieder mal Kritik gehört, sagt sie, „ich bin einmal angespuckt worden“. Aber ein Attentat hatte sie sich nicht vorstellen können.
Frank S. ließ sich nach dem Angriff, bei dem er noch vier weiteren Menschen verletzte, von der Polizei festnehmen. Vergangene Woche bekannte er sich im Gericht zur Tat und bezeichnete Reker als „völlig weltfremde, linksradikale Schickeria-Ideologin“. Doch am Freitag verzichtet er darauf, sein Opfer mit Fragen zu konfrontieren. Sein Verteidiger gibt nur an Reker die Bitte von S. weiter, „entschuldigende Worte“ an sie zu richten. Ein Trick? Reker antwortet knapp, es sei „jetzt nicht die richtige Situation“. Zuvor hat sie von Alpträumen berichtet, in denen sie mit einer Kapuze über dem Kopf hingerichtet werden soll. Doch auf psychiatrische Betreuung verzichtet sie. Gleich nach dem Auftritt im Gericht geht es zurück nach Köln zum Rathaus. Kurz vor der Aussage hat Reker den versammelten Journalisten verkündet, die Aussage bedeute „keine Einschränkung meiner Termine heute“.
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