Klimaschutzplan 2050: Hendricks Blamage
Der Klimaschutzplan 2050 war schon in trockenen Tüchern. Aber plötzlich am späten Dienstagabend machte ein Ministerkollege der Umweltministerin Hendricks einen Strich durch die Rechnung. Ein Kommentar.
Einen Tag lang sah es aus, als könnte die Bundesregierung eine internationale Blamage vermeiden. Umweltministerin Barbara Hendricks freute sich noch am späten Nachmittag auf dem Weg in die Fraktionssitzung der SPD, dass sie in der kommenden Woche mit dem Klimaschutzplan 2050 zum Gipfel nach Marrakesch reisen könnte. Der Klimaschutzplan sollte am heutigen Mittwoch doch noch ins Kabinett gehen.
Aber am späten Dienstagabend machte einer ihrer Kabinettskollegen Hendricks doch noch einen Strich durch die Rechnung, berichtete die Nachrichtenagentur dpa. Nun hat sich vorläufig wohl doch der Wirtschaftsflügel der Union mit seiner Fundamentalopposition gegen das Strategiepapier zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens durchgesetzt. Monatelang hatten konservative Politiker und Wirtschaftsverbände alles unternommen, um den Klimaplan inhaltlich komplett zu entkernen.
Der Klimaschutzplan 2050 beschreibt, wie Deutschlands Wirtschaft Mitte des Jahrhunderts aussehen würde, wenn sie vom Treibhausgasausstoß befreit würde. Nur wie Deutschland dahin kommt, stand auch in der jüngsten Fassung nur noch in Andeutungen im Plan.
Immer schreit die Industrie nach Innovationen - nur beim Klimaschutz nicht
Da hieß es beispielsweise, dass neue Öl- oder Gasheizungen keine sinnvolle Investition mehr sein werden. Oder dass Autos irgendwann keine Treibhausgase mehr ausstoßen dürfen. Aber dass Autos mit Verbrennungsmotor von etwa 2030 an nicht mehr zugelassen werden dürfen, wenn die Minderungsziele für Kohlendioxid im Verkehrssektor bis 2050 erreicht werden sollen, stand nicht mehr drin. Auch der Kohleausstieg kam nur indirekt vor. Neue Investitionen in Kohlekraftwerke und die Erweiterung von Tagebauen würden zu Kapitalvernichtung und Arbeitsplatzverlusten führen, hieß es.
Die Debatte über den Klimaschutzplan wird offenbar noch immer erbittert geführt, obwohl Bundestag und Bundesrat gleichzeitig das Pariser Klimaabkommen einstimmig ratifiziert haben. Das ist ein Hinweis darauf, dass manche Akteure annehmen, dass internationale Abkommen für sie keine Konsequenzen haben. Im Unions- Wirtschaftsflügel und Wirtschaftsverbänden glauben manche, dass trotz des Klimawandels alles bleiben könnte, wie es ist. Dabei sind sie sonst die Ersten, die eine positive Haltung zu Innovationen einfordern. Das scheint aber nur dann zu gelten, wenn es um Technologien geht, die den Planeten noch schneller kaputt machen. Wenn es darum gehe, die Lebensgrundlagen zu bewahren, würden manche Akteure in Wirtschaft und Politik plötzlich innovationsfeindlich und zukunftsängstlich: So hat Barbara Hendricks bei einer Veranstaltung des Tagesspiegels und der Entwicklungsorganisation GIZ ihre Beobachtungen zusammengefasst.
Es ist einer der letzten Kämpfe der Kohle-, Öl- und Gaslobby um ein überholtes Geschäftsmodell. Das Gleiche ließe sich über die Autoindustrie und ihre Zulieferer sagen. Wer jetzt nicht nach klimatauglichen Perspektiven sucht, wird schnell abgehängt. Die Veränderung ist in vollem Gang. Die Erde erhitzt sich, und die Wirtschaft reagiert darauf mit Investitionen in mögliche Lösungen. Deutschland kann da vorne dabei sein – oder bald nur noch den Rücklichtern derjenigen nachschauen, die das schneller begreifen.
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