Anhörung zur Gigafactory von Tesla: Heldenhafte deutsche Demokratie
Knurrende Mägen und pralle Hitze können echten Demokraten nichts anhaben. Das Ergebnis der Übung ist dennoch enttäuschend. Eine Kolumne.
Demokratie in die Praxis umzusetzen ist keine Kleinigkeit. Elternabende, Besprechungen von Bürogemeinschaften, Partnerzwiegespräche, Auseinandersetzungen mit den Kindern ... Ich dachte, ich hätte bereits alle Gelegenheiten ausgeschöpft, mich in der schwierigen Kunst der Selbstkontrolle und des konstruktiven Dialogs zu üben.
Aber das war vor der Anhörung von Anwohnern, Bürgerinitiativen und Umweltverbänden gegen den Bau der Gigafactory Tesla vor den Toren Berlins, bei der ich am Mittwoch war. Die Franzosen letztes Jahr reagierten wie beleidigte Kinder, als Elon Musk beschloss, sein europäisches Hauptquartier in Deutschland zu errichten. Warum ein Wald in Grünheide, wenn es doch in Fessenheim ein stillgelegtes AKW mit großen Gelände gibt?
Ich bewundere das Engagement, die Entschlossenheit und die Sachkenntnis all dieser Menschen, die schon früh am Morgen geduldig in der Schlange vor der Stadthalle in Erkner warten, um an der Anhörung teilnehmen zu können. Wir Journalisten verfolgen in einem in der prallen Sonne aufgestelltem Zelt die Debatte auf Großbildschirmen. Darauf eine ganze Armada von Männern in grauen Anzügen, die auf einem Podium an Tischen sitzen, die mit kleinen beigen Vorhängen verziert sind. Fast könnte man meinen, man befinde sich auf einem Hochzeitsbankett der 1960er Jahre.
Links davon Experten aus den unterschiedlichsten Behörden mit dicken Aktenordnern. Rechts ein Dutzend junger Hipster, die Tesla-Boys, schneidig und schweigsam. Elon Musk ist selbst nicht anwesend. Doch sein dämonischer Schatten schwebt über dem überhitzten Raum.
Als würde über einen neuen Wörterbucheintrag diskutiert
Für mich ist der Held des Tages zweifelsohne der Versammlungsleiter. Kneift man die Augen zusammen, wirkt der Abteilungsleiter Technischer Umweltschutz 1 im Landesumweltamt wie ein gelassener Buddha. Rundlich und gutgelaunt gibt er bekannt, dass 114 Einwender 414 schriftliche Einwendungen vorgelegt hätten. Schon entbrennt eine Diskussion über den Unterschied zwischen Einwendern und Einwendung.
Mir dreht sich der Kopf. Säße ich nicht in einem Pressezelt im Berliner Speckgürtel, ich würde denken, ich befände mich auf einer Sitzung der Academie Française, wo gerade über einen neuen Wörterbucheintrag debattiert wird.
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Eine besonders aufgebrachte Klägerin fordert die Führung eines Wortlautprotokolls. „Für das Genehmigungsverfahren ist das völlig belanglos“, versucht der Versammlungsleiter gegen den Wortschwall anzukommen und fügt mutig hinzu: „Wer soll denn das alles lesen?“ „Hat sich die zuständige Behörde die Zeit genommen, alle Einwendungen sorgfältig durchzuarbeiten?“, fragt jemand im Raum. „Einige dieser Einwendungen sind 80 Seiten lang“, antwortet der Versammlungsleiter schon leicht erschöpft. Ich selbst will mir diese unverdauliche Prosa lieber erst gar nicht vorstellen.
Der Versammlungsleiter erinnert vergeblich an die Mittagspause
„Wollen wir nicht zum Verfahren übergehen?“ fleht der Versammlungsleiter. Er nutzt die Gelegenheit, daran zu erinnern, dass es bald Zeit für die Mittagspause ist. In den Lieferwagen vor der Stadthalle brutzeln bereits Bratwürste, der Hackepeter schwitzt in der Sonne. „Wer hat noch einen Punkt?“, fragt der Versammlungsleiter in den Saal. Unzählige Finger schnellen in die Höhe. „Oh, Gott“, entfährt es dem sichtbar mitgenommenen Mann.
Das Mittagessen rückt in weite Ferne. Der Magen knurrt. Ich spüre Migräne in mir aufsteigen. Seit vier Stunden warten wir darauf, dass die Anhörung beginnt. Ich kapituliere, räume mein Heft ein, gehe. Von weitem höre ich noch: „Ich würde es sehr begrüßen, wenn wir weiter machen könnten“. Später erfahre ich, dass es schon dunkel war, als die Sitzung zu Ende ging. Trotz Hackepeter im Magen ist man über Verfahrensfragen nicht hinausgekommen. Heldenhafte deutsche Demokratie.
Übersetzung aus dem Französischen: Odile Kennel
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