Auswärtiges Amt: Heiko Maas, die unemanzipierte Hilfskraft
Große Zeiten für die Außenpolitik, aber der Außenminister bleibt bisher eigentümlich blass. Ein Kommentar.
Die Lage der Welt ist ziemlich konfus, und mit jedem neuen Donald-Trump-Tweet bröckeln alte Gewissheiten weiter. Große Zeiten für Außenpolitik, sollte man meinen, eine Politik zumal, die dem Durcheinander etwas neue Ordnung abringt. Heiko Maas hat das theoretisch erkannt. Er ist auch fleißig bei der Sache. Der Bundesaußenminister hat in den ersten hundert Tagen mehr Flugkilometer absolviert als Vorgänger wie Frank-Walter Steinmeier oder Joschka Fischer.
Trotzdem bleibt Maas bisher eigentümlich blass. In den Beliebtheitsrankings pendelt der SPD- Mann auf den Plätzen vier bis fünf; wenn er auffällt, dann mit Kurzkommentaren zur Causa Özil und anderen gesellschaftspolitischen Fragen, für die er schon als twitterfreudiger Justizminister stand.
Ansonsten sagt er Dinge, die ganz und gar richtig sind: Europa muss zusammenstehen, es braucht eine neue Gemeinsamkeit, der Multilateralismus muss gerettet werden, dafür braucht es die Stabilisierung der alten und das Schmieden neuer Allianzen. Alles korrekt. Aber auch relativ folgenlos. Ein stringentes Programm ergibt sich daraus bisher jedenfalls nicht.
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Nun ist das auch keine einfache Aufgabe. Martin Schulz wollte das Amt zu seiner Festung für sein Europa ausbauen. Maas musste unplanmäßig einspringen; dass er nicht gleich eine Vision zur Hand hatte, ist mehr als verständlich. Außerdem dominiert eine Kanzlerin in ihrer Spätphase naturgemäß das außen- und europapolitische Spiel. Angela Merkel duzt die Hälfte und kennt alle da draußen. Da findet sich ein Außenminister rasch als Hilfskraft wieder.
Umso notwendiger, dass er sich emanzipiert. Doppelt notwendig, wenn er Sozialdemokrat ist. Dass die SPD konturenschärfer aus der Regierung rausgeht, als sie hineinzog, ist schließlich ihr erklärtes Ziel. Andrea Nahles als Partei- und Fraktionschefin und Olaf Scholz als Finanzminister stehen unter speziellem Druck, weil beide als Kanzlerkandidaten in spe gelten. Aber gerade das Auswärtige Amt, bei den Bürgern hochgeschätzt, verpflichtet regelrecht zum Reüssieren.
Man darf die Aufgabe bloß nicht zu leicht nehmen. Ein Beispiel? Maas hat neulich in einer Grundsatzrede zu Europa für mehr Verständnis für die Osteuropäer geworben, denen man in der Flüchtlingspolitik nicht mit moralisierendem Zeigefinger kommen dürfe. Aus der Erkenntnis könnte ein Weg führen, die Ost-West-Spaltungen zu mildern. Nur fordert der Minister sofort danach ebendiese Staaten auf, Migration nicht mehr zur innenpolitischen Stimmungsmache zu missbrauchen.
Beim heimischen Publikum bringt der Satz Punkte. Bei Polen und Ungarn weniger. Er ist nicht nur wohlfeil, sondern unproduktiv. Was sollen die Osteuropäer mit dieser Art von Verständnis anfangen? Wer ins Gespräch kommen will, muss seine Prinzipien wahren, aber nicht andauernd hochhalten.
Vor allem aber müsste er signalisieren: Das ist jetzt mein Ding, darum kümmere ich mich. Maas hat sein Ding noch nicht gefunden. Er ist noch im Stadium des Appells. Europa braucht mehr Mut und neue Ideen – richtig. Aber wer wäre besser platziert als ein Bundesaußenminister, um sie zu entwickeln und vor allem umzusetzen?