Aserbaidschans Präsident bei Angela Merkel: Heikles Tischgespräch
Die Kanzlerin empfängt Aserbaidschans Staatschef Ilham Alijew zum Mittagessen – und mahnt die Einhaltung der Menschenrechte an. Von Problemen in seinem Land will der Gast aber nichts wissen.
Berlin - Das Tischgespräch mit diesem Gast dürfte alles andere als einfach gewesen sein. Der letzte Besuch von Aserbaidschans Staatspräsident Ilham Alijew in Berlin liegt fünf Jahre zurück. Am Mittwoch empfing ihn Angela Merkel zu einem Mittagessen im Kanzleramt. Aserbaidschan geriet in den vergangenen Monaten wieder in die Schlagzeilen – aber nicht nur als aufstrebender Energielieferant Europas, sondern auch wegen der vielen politischen Gefangenen in dem autoritär regierten Land. Der Besuch sei zustande gekommen, weil Alijew auf der Durchreise nach Davos gewesen sei, hieß es in Berliner Regierungskreisen.
Demonstranten erinnern an politische Gefangene in Aserbaidschan
Vor dem Kanzleramt forderten Demonstranten lautstark die Freilassung der politischen Gefangenen in Aserbaidschan. Einer der Demonstranten saß selbst fast drei Jahre in seiner Heimat Weißrussland hinter Gittern. Für den Menschenrechtler Ales Bjaljatzki war es wichtig, sich während seines Berlin-Besuchs für die politischen Gefangenen in Aserbaidschan einzusetzen, für Menschen wie den Wahlbeobachter Anar Mammadli, dessen Bild er vor dem Kanzleramt hochhielt. Andere Demonstranten erinnerten an das Schicksal der Journalistin Khadija Ismayilova: Sie hatte die lukrativen Geschäfte der Alijew-Familie aufgedeckt und sitzt nun im Gefängnis.
Mehr als 90 politische Gefangene gibt es derzeit in Aserbaidschan, unter ihnen sind Oppositionelle, Journalisten, Wahlbeobachter und Bürgerrechtler. Merkel müsse „den aserbaidschanischen Präsidenten öffentlich wie auch hinter geschlossenen Türen drängen, den Angriff auf die Menschenrechte zu stoppen“, forderte Hugh Williamson von Human Rights Watch vor dem Treffen.
Die Kanzlerin betonte nach dem Gespräch, dass Aserbaidschan für Deutschland ein Partner „von wachsender Bedeutung“ sei, und nannte die Gas- und Erdölvorkommen und das Projekt des südlichen Gaskorridors, der vom Südkaukasus über die Türkei bis nach Europa führt. Durch den Krieg in der Ukraine hat sich das Verhältnis zu Russland abgekühlt, umso stärker sucht die EU nun nach Alternativen in der Energieversorgung.
Doch zwischen Alijew und Merkel gab es nach den Worten der Kanzlerin auch „Meinungsverschiedenheiten“. Merkel sprach von „Fälle(n), in denen wir Kritik üben an der Umsetzung der Menschenrechte“ in Aserbaidschan. Den Gast aus Baku erinnerte sie daran, dass sich sein Land als Mitglied des Europarats auf Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit verpflichtet hat.
Alijew: In Aserbaidschan gibt es alle Freiheiten
Alijew selbst wies jede Kritik an der Menschenrechtslage zurück: „Alle Freiheiten werden in Aserbaidschan gewährleistet.“ Niemand werde wegen kritischer Meinungsäußerungen verhaftet. Angesprochen auf das schlechte Abschneiden seines Landes in der Rangliste der Pressefreiheit (Platz 160) entgegnete er, Aserbaidschan habe kein Problem mit dem Ranking in Sachen Pressefreiheit, und er habe kein Problem mit seinem persönlichen Ranking. „90 Prozent der Bürger unterstützen mich“, sagte Alijew. Merkel hörte mit unbeweglicher Miene zu.
CDU-Abgeordneter macht "Selfie" mit Alijew
Alijew traf sich am Dienstag mit Vertretern des Deutsch-Aserbaidschanischen Forums und Bundestagsabgeordneten, darunter der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Philipp Mißfelder. Später schrieb der CDU-Abgeordnete Olav Gutting auf Twitter, auch das Thema Menschenrechte sei zur Sprache gekommen. Im selben Tweet veröffentlichte er stolz ein „Selfie“, ein Foto, das ihn mit Alijew zeigte.