Flüchtling postet Video bei Facebook: Heidenau ist nicht überall - nicht in Oer-Erkenschwick
Ein Video, das ein Flüchtling bei Facebook gepostet hat, zeigt eine Menschenmenge im Ruhrgebiet, die Asylsuchende aus Syrien freundlich empfängt.
Langsam rollt der Bus an der Menschenmenge vorbei. Die Neuankömmlinge blicken neugierig aus dem Fenster, unterhalten sich mit gedämpfter Stimme. Draußen stehen rund 50 Bürger, die bereits auf die Flüchtlinge gewartet haben. Doch „besorgt“ scheint keiner von ihnen zu sein.
Im Gegenteil: Die Menschen in der Ruhrgebietsstadt Oer-Erkenschwick haben Blumen dabei, winken fröhlich und lassen ihre neuen Nachbarn auf Transparenten und Schildern wissen, dass sie diese willkommen heißen. Heidenau, Freital und all die anderen Städte, in denen rassistische Mobs in diesen Tagen gegen Asylbewerber hetzen, sind in diesem Moment weit weg.
„Die Westfalen sind sehr herzliche Leute“
Die Szene ist auf einem kurzen Videoschnipsel zu sehen, den ein syrischer Flüchtling auf seinem Facebook-Profil geteilt hat. „Die Deutschen begrüßen das syrische Volk mit Blumen“, schreibt er dazu überschwänglich. „Dafür danken wir dem deutschen Volk und der Regierung von ganzem Herzen.“ Am Montag hat er zusammen mit 131 weiteren Menschen aus Syrien, dem Irak, Georgien und Albanien eine Notunterkunft in einem ehemaligen Schulgebäude bezogen.
„Die Leute standen stundenlang vor der Einrichtung und applaudierten“, sagt Dirk Kownatzki vom Roten Kreuz. Er ist der Leiter der Notunterkunft und ist sichtlich stolz auf seine Mitbürger. Auch Pfarrer Rüdiger Funke, der die Verteilung von Kleidung organisiert, ist begeistert. „Nach einer Woche haben wir bereits ein paar Tonnen Kleidung zusammen“, sagt er. „Ich musste nie lange bitten und betteln, die Hilfsbereitschaft ist enorm.“ Dafür seien die Bewohner der Unterkunft sehr dankbar. Dass es so gut läuft im Ort, liege an der westfälischen Mentalität, sagt Dirk Kownatzki. „Die Westfalen sind sowieso sehr herzliche Leute.“
Rechter Protest wegen "Sicherheitsbedenken" abgesagt
So ganz stimmt aber auch das offensichtlich nicht. Rechte haben für den Freitagabend eine Demonstration vor der Flüchtlingsunterkunft angemeldet. Das lokale Bündnis gegen Rechts hat prompt reagiert und eine Gegenkundgebung organisiert. Josef Oeinck ist Fraktionsvorsitzender der Linken im Stadtrat und an der Organisation beteiligt. „Vor zwei Wochen hatte ein Rechter hier eine Auseinandersetzung mit einem Flüchtling, zog den Kürzeren und ist im Krankenhaus gelandet“, sagt Oeinck. Daraufhin habe es eine rassistische Hetzkampagne vor allem in den sozialen Medien gegeben, wo auch zur Demonstration aufgerufen wurde.
Angemeldet wurde diese von einem Mann aus der lokalen Fußballszene, der laut Polizei Kontakte zur Dortmunder Neonazi-Partei „Die Rechte“ haben soll. Mittlerweile ist die Veranstaltung abgesagt. Bei der Polizei hatte der Anmelder den Rückzieher mit „Sicherheitsbedenken“ begründet. „Ich führe das darauf zurück, dass die Rechten nicht mit einem so großen Echo der Gegenseite gerechnet haben“, sagt Oeinck. „Da haben die wohl Muffen gekriegt.“ Die Gegenkundgebung finde dennoch wie geplant statt. Denn dass vor der Unterkunft trotz der Absage Neonazis provozieren könnten, sei nicht ausgeschlossen. Ihnen dürften die Oer-Erkenschwicker einen weniger herzlichen Empfang bereiten.