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Sicherheitszone um die Flüchtlingsunterkunft im früheren Baumarkt in Heidenau.
© Matthias Rietschel/Reuters
Update

Anti-Asyl-Demos vor Flüchtlingsunterkünften: Heidenau befeuert Debatte um #HeimeohneHass

Freital, Suhl, Heidenau - immer wieder demonstrieren Rechtsextremisten und "besorgte Bürger" vor Flüchtlingsunterkünften. Ist eine Bannmeile die richtige Antwort darauf?

Es ist eine Erfolgsgeschichte. Aber sie ist nicht unumstritten. Mehr als 64.000 Menschen haben auf der Plattform change.org inzwischen die Petition „Heime ohne Hass“ unterschrieben, sie gehört dort zu den zehn beliebtesten Eingaben. Das Ziel: fremdenfeindliche Demonstrationen vor Flüchtlingsunterkünften zu verbieten.

Ganz so einfach ist das nicht. Zwar finden die Initiatoren durchaus Fürsprecher. So sagte der sächsische Ausländerbeauftragte Geert Mackenroth am Montag im rbb-Inforadio nach der rechtsradikalen Randale in Heidenau, notwendig seien nicht nur „professionelle Wachdienste“, ein Konfliktmanager und eine Videoüberwachung. Er fügte hinzu: Wenn der von der sächsischen Polizei eingerichtete Kontrollbereich in Heidenau nicht ausreiche, um die Flüchtlinge zu schützen, „dann müssen wir auch über ein Demonstrationsverbot vor solchen Heimen nachdenken“.

Ähnlich hat es das vor einigen Wochen bereits in Freital bei Dresden gegeben, wo sich ebenfalls ein rassistischer Mob vor einer Flüchtlingsunterkunft versammeln wollte. Prof. Hajo Funke von der Freien Universität Berlin unterstützte diese Entscheidung der sächsischen Behörden. In Freital sei ein Verbot „überfällig“ gewesen, sagte er.

Ausschreitungen von Flüchtlingen im thüringischen Suhl mit anschließenden Demonstrationen von Rechtsextremisten sowie die Randale von Rechtsextremisten im sächsischen Heidenau haben die Debatte zusätzlich befeuert. Traurige Aufmerksamkeit bekam die Petition "Heime ohne Hass" zuvor, weil einer der Initiatoren, der Blogger Heinrich Schmitz, aufgab, nachdem er und seine Familie massiv bedroht wurden.

Dennoch: Nicht alle, die sich für Asylsuchende einsetzen, teilen die Forderung der Petenten. Etwa die Amadeu-Antonio-Stiftung ist skeptisch. Ihr Geschäftsführer Timo Reinfrank spricht von einer „Scheindebatte“. Für problematisch hält er die Forderung deshalb, weil die Übergriffe gegen Flüchtlinge und Bedrohungen eben nicht nur vor Heimen stattfinden - wie sich erst dieser Tage wieder zeigt. Etwa in Chemnitz: Dort wurde ein 22-jährigen Afghanen am Sonntagmorgen von einer sechsköpfigen Gruppe beschimpft und bespuckt. Die Täter schlugen ihm eine Flasche ins Gesicht, er musste ambulant im Krankenhaus behandelt werden.

„Die Petition suggeriert, dass Bannmeilen die Lösung gegen rassistische Bedrohungen wäre“, sagte Reinfrank dem Tagesspiegel. „Aber das sind sie nicht.“ Und, dass das Ordnungsrecht den Behörden schon jetzt Möglichkeit gebe, Demonstrationen in der Nähe von Flüchtlingsunterkünften zu untersagen, etwa mit dem Argument der Gefahrenabwehr.

Ein anderes Argument gegen eine Bannmeile hat Oliver Höfinghoff, Piraten-Abgeordneter im Berliner Abgeordnetenhaus und früheres Mitglied der Partei. „Bannmeilen würde die Polizei primär gegen die Antifa benutzen“, erklärt er. „Und die Unterkünfte würden durch Polizei trotzdem nicht besser geschützt werden. Ergo: Freie Hand für Nazis vielerorts.“

Renate Künast, Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, sagte dem Tagesspiegel: „Wir brauchen keine Gesetzesänderungen. Was wir brauchen, sind sensible Behörden, die das vorhandene Instrumentarium auch ausschöpfen.“ Es gehe um Sensibilität für die geflüchteten Menschen, die Furchtbares erlebt hätten und ohnehin in Angst seien, „Angst um Familien und Freunde, um ihre Heimat, ihre Zukunft und ihr Leben“. Diesen Menschen dürfe man dann „nicht auch noch einen braunen Mob vor dem Fenster entlang laufen lassen“, meint die Grünen-Politikerin.

Bundesjustizminister Heiko Maas sagte dem Tagesspiegel: „Gegenüber Fremdenfeindlichkeit und Rassismus gilt null Toleranz. Wir dürfen nicht zulassen, dass gegen Menschen, die zu uns kommen und hier Schutz suchen, Hetze betrieben wird.“ Auf solche Angriffe müsse „mit der ganzen Härte des Rechts“ reagiert werden. Ob eine Bannmeile um Flüchtlingsheime zu diesem Katalog gehört, lässt der SPD-Politiker offen: „Wir müssen die Menschen aufklären und ihnen ihre Ängste nehmen, so dass es erst gar nicht zu Demonstrationen gegen Flüchtlinge kommt, egal wo. Dafür müssen wir uns einsetzen, das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“

Matthias Meisner

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