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US-Präsident Donald Trump liest von einem Teleprompter ab.
© AFP

US-Präsident stellt Sicherheitsdokument vor: Hat Trump sein eigenes Strategiepapier nicht gelesen?

68 Seiten Strategiepapier - zu lang für den lesefaulen US-Präsidenten? Ein Sprecher des US-Sicherheitsrats ist sich nicht sicher, dass Trump das Papier ganz gelesen hat.

Dass Donald Trump kein Freund langer Texte ist, weiß ganz Washington. Bei seiner täglichen Unterrichtung durch Vertreter der US-Geheimdienste muss der Präsident mit kurzen Vorträgen, Graphiken und anderen visuellen Hilfen bei Laune gehalten werden, damit ihm nicht langweilig wird. Aber dass der 71-Jährige nicht einmal ein Grundsatzpapier zur sicherheitspolitischen Neuausrichtung der Supermacht durcharbeitet, ist selbst für den lesefaulen Staatschef etwas Neues. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass Trumps Äußerungen bei der Vorstellung des 68-seitigen Strategiepapiers teilweise ganz anders klang als das Dokument, um das es ging. Das Ergebnis ist einmal mehr Verwirrung darüber, was die Trump-Regierung eigentlich erreichen will.

Er könne nicht mit Bestimmtheit sagen, dass der Präsident das gesamte Papier zur nationalen Sicherheit gelesen habe, sagte Michael Anton, ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates im Weißen Haus, dem Nachrichtensender CNN. Allerdings sei Trump über die Ausarbeitung des Dokuments stets auf dem Laufen den gehalten worden. Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster und andere Berater hatten die Leitlinien anhand von Trump-Reden zusammengesetzt und dabei versucht, eine Balance zwischen den populistischen Thesen ihres Chefs und den eigenen realpolitischen Positionen zu finden. Eine Doktrin aus einem Guss ist nicht dabei herausgekommen.

Papier betont "wachsende militärische Konkurrenz"

Trumps „Strategie der Nationalen Sicherheit“ löst ein Grundsatzdokument seines Vorgängers Barack Obama aus dem Jahr 2015 ab, in dem die Bedeutung der internationalen Kooperation betont wurde. Dagegen unterstreicht das neue Papier schon in der Einleitung eine „wachsende politische, wirtschaftliche und militärische Konkurrenz“ in der Welt. Fast 30 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges werde die Weltpolitik wieder von der „Rivalität der Großmächte“ bestimmt. China und Russland werden als globale Konkurrenten geschildert, die Wohlstand und Sicherheit der USA untergraben wollen. Nordkorea und Iran sind demnach ebenfalls Quellen für Gefahren für die USA, ebenso wie „dschihadistische Terroristen“.

Dagegen will Trump wirtschaftliche und militärische Stärke setzen. Für ihn steht das Motto „Amerika Zuerst“ an der Spitze der Prioritätenliste. In der internationalen Handelspolitik sehen sich die USA benachteiligt und wollen ab sofort ihre eigenen Interessen in den Vordergrund stellen. In den Wirtschaftsbeziehungen zu anderen Ländern soll es künftig „fair“ zugehen – ein Trump’scher Begriff für die Durchsetzung eigener Prioritäten. Der Präsident will die Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen, gegen den Familiennachzug beim Flüchtlingszuzug vorgehen und andere Wahlkampfversprechen in die Tat umsetzen. Zudem kritisierte er seine Vorgänger, die nach seiner Meinung nicht genug getan haben, um Amerikas Stärke zu erhalten.

Auffällig sanft mit Russland

Populismus bringt jedoch nicht immer die gewünschten Resultate. So ist Trump stolz darauf, die Teilnahme der USA an dem transpazifischen Handelsabkomment TPP beendet zu haben. Kritiker betonen jedoch, damit habe der Präsident ein wichtiges Instrument aus der Hand gegeben, mit dem Amerika die chinesische Regierung in der internationalen Handelspolitik hätte disziplinieren können.

Ob Trump das anti-russische Misstrauen des eigenen Strategiepapiers teilt, ist ebenfalls unklar. Als er die neue Linie am Montag bei einer Rede vorstellte, ging er mit Russland auffällig sanft um. Statt die in der schriftlichen Fassung der Doktrin beklagten Destabilisierungsversuche Russlands – etwa bei der US-Präsidentenwahl im vergangenen Jahr – zu erwähnen, schwärmte der Präsident von der guten Zusammenarbeit mit Wladimir Putin. Erst am Wochenende war bekannt geworden, dass die russischen Sicherheitsbehörden aufgrund von Hinweisen der amerikanischen CIA-Kollegen einen islamistischen Anschlag in St. Petersburg verhindern konnten. „So muss es laufen“, sagte Trump dazu.

Auf der einen Seite Trump, auf der anderen die "Erwachsenen"

Also ist Russland jetzt doch kein Rivale? Möglicherweise gibt es hier Differenzen zwischen Trump selbst und den sicherheitspolitischen Profis seiner eigenen Regierung. „Da gibt es zwei Welten“, sagte Thomas Wright von der Denkfabrik Brookings Institution der „Los Angeles Times“.  Auf der einen Seite steht demnach Trump, auf der anderen Seite McMaster und die anderen so genannten „Erwachsenen“ in der Regierung, die eine traditionelle US-Sicherheitspolitik vertreten, etwa im Verhältnis zu Moskau. Wessen Wort am Ende gilt, ist nach der Vorlage des Strategiepapiers und Trumps Auftritt nicht ganz geklärt.

Risse in der Regierung werden auch beim Thema Klimawandel sichtbar. Anders als bei Obamas Strategie gilt die Erderwärmung unter Trump ab sofort nicht mehr als weltpolitische Herausforderung für die USA. Ungeachtet dieser Festsetzung betrachtet zum Beispiel das US-Verteidigungsministerium den Klimawandel nach wie vor als Quelle bedeutender Entwicklungen, etwa bei internationalen Flüchtlingsbewegungen, wie die „New York Times“ anmerkte. Auch hier bliebt die Frage, welche Ansicht die amerikanische Politik in den kommenden Jahren prägen wird.

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