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Alexander Gauland, Vorsitzender der Bundestagsfraktion der AfD
© dpa/Gregor Fischer

Debatte um Gastbeitrag in der "FAZ": Hat Gauland Hitler paraphrasiert – oder aus dem Tagesspiegel abgeschrieben?

Historiker sehen in einem Gauland-Beitrag Parallelen zu einer Hitler-Rede. Jetzt verweisen Leser auch auf einen zwei Jahre alten Tagesspiegel-Gastbeitrag, in dem ähnliche Sätze zu finden sind.

Am Dienstag berichtete der Tagesspiegel über die Kritik zweier Historiker an einem Gastbeitrag des AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland in der „FAZ“ von Samstag. Wolfgang Benz warf Gauland vor, sich mit der Elitenkritik in diesem Beitrag „eng“ an eine Rede Adolf Hitlers vor Siemens-Arbeitern im Jahr 1933 „geschmiegt“ zu haben. Michael Wolffsohn sagte, Gauland jubele den Lesern „Adolf Hitler light“ unter.

Am Mittwoch bemerkten Tagesspiegel-Leser in dem Gauland-Text fast wortgleiche Passagen aus einem Tagesspiegel-Beitrag zur Elitenkritik des Bloggers Michael Seemann, der im Jahr 2016 erschienen war. In Blogs, unserer Community und anderen Medien schlugen die Wellen hoch. Hatte Gauland gar nicht Hitler paraphrasiert, sondern von Michael Seemann abgeschrieben, wie manche meinten?

Die Ähnlichkeiten mit der Hitler-Rede waren zuerst einem Twitter-Nutzer aufgefallen, der am 7. Oktober, einen Tag nach Erscheinen des Gauland Textes, öffentlich darauf aufmerksam machte.

Der Journalist Jonas Mueller-Töwe verbreitete den Vergleich weiter, woraufhin der Tagesspiegel darauf aufmerksam wurde und mit dem Twitter-Nutzer sprach. Dieser wollte anonym bleiben, verwies aber auf ein Filmarchiv, das die Hitler-Rede in voller Länge dokumentiert.

Zudem bat der Tagesspiegel die Historiker Wolfgang Benz und Michael Wolffsohn um ihre Einschätzung und veröffentlichte diese am Dienstag. Wolfgang Benz schrieb in seinem Gastbeitrag für den Tagesspiegel, zwar stimme „der Wortlaut nicht überein“, aber „die vorgetragene Ideologie“.

Seemanns Text ist kein politisches Manifest

Im Fall des Textes von Michael Seemann ist es genau umgekehrt. Seemanns Text ist, anders als Gaulands, kein politisches Manifest. Seemann beschreibt die Elitenkritik der Rechtspopulisten, eignet sich diese aber nicht an. Er beschreibt zwar eine globale „Informationselite“, fragt, warum es eine Allianz der Wut zwischen Bürgern und Arbeitern gegen sie gibt, sieht aber auch Vertreter der Rechtspopulisten als „Elite“, die zwar ebenfalls abgehoben, aber auch „kulturell anschlussfähig“ geblieben sei.

Seemann ging es darum, sich in die „Wutbürger“ „hineinzuversetzen“, wie er schreibt. Er wollte „ihre Narrative nachvollziehen“. In Gaulands Beitrag spiegelt sich also nicht Seemanns Meinung, dafür findet sich der Wortlaut einiger Passagen nur geringfügig abgewandelt im "FAZ"-Beitrag des AfD-Chefs wieder.

Ein Beispiel. Bei Seemann heißt es: „Eine wachsende Gruppe global orientierter Menschen gibt es in jedem Land dieser Erde, und sie ist gut vernetzt. Diese neue globalisierte Klasse sitzt in den Medien, in den StartUps und NGOs, in den Parteien, und weil sie die Informationen kontrolliert („liberal media“, „Lügenpresse“), gibt sie überall kulturell und politisch den Takt vor.“

Bei Gauland heißt es: „Diese globalisierte Klasse sitzt in den international agierenden Unternehmen, in Organisationen wie der UN, in den Medien, Start-ups, Universitäten, NGOs, Stiftungen, in den Parteien und ihren Apparaten, und weil sie die Informationen kontrolliert, gibt sie kulturell und politisch den Takt vor.“

Auf Nachfrage von Jonas Mueller-Töwe für T-Online.de sagte ein AfD-Sprecher: "Herr Dr. Gauland kannte den genannten Text von Herrn Seemann nicht." Auf Nachfrage des Tagesspiegels hatte Gauland bereits am Montag gesagt, er kenne „keine entsprechende Passage von Adolf Hitler“. (Tsp)

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