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Im Internet kommt es zu einer zunehmenden Enthemmung. HateAid will dagegen vorgehen.
© Lukas Schulze/dpa

Initiative gegen Cyber-Mobbing: Hass ist krass, Strafe ist krasser

Renate Künast und Luisa Neubauer wurden im Netz diffamiert und bedroht. Jetzt hilft ihnen die Organisation HateAid gegen die Täter vorzugehen

Die Fridays-For-Future-Aktivistin Luisa Neubauer hatte Fotos von sich in Hongkong und Kanada auf Instagram gepostet und war unter dem #LangstreckenLuisa diffamiert, beleidigt und bedroht worden. Jetzt ist sie Mandantin von HateAid. Die im Dezember gegründete Organisation will Betroffenen helfen, strafrechtlich gegen die Verfasser von Hasskommentaren vorzugehen.

"Hass im Netz fühlt sich sehr isolierend und bedrohlich an, weil er über das Handy in der Hosentasche ständig bei dir ist", sagt Neubauer. Mit Kritik setze sie sich gerne auseinander, bei Hass sei aber der große Unterschied, dass keine Diskursbereitschaft gezeigt werde, sondern eine ablehnende Haltung, die in krassester Weise destruktiv sei.

Strafverfahren gegen digitale Gewalttäter sind sehr langwierig und teuer. HateAid will Neubauer und anderen Betroffenen juristisch beistehen. Zunächst würden Anwälte versuchen die Täter zu ermitteln. Sollte das nicht klappen, werden Polizei und Staatsanwaltschaft um Hilfe gebeten, die Verantwortlichen ausfindig zu machen. Eine weitere Möglichkeit seien Auskunftsanfragen an die Social Media Plattformen.

Ziel sei es, dass die Täter in einer Unterlassungserklärung garantieren, die Kommentare zu löschen und Schadensersatz in Form einer Geldstrafe zu zahlen. Das Geld geht allerdings nicht an die Opfer, sondern dient als Finanzielle Grundlage für HateAid. „Gelebte Solidarität“, nennen das Geschäftsführerin Anna-Lena von Hodenberg und ihre Mitstreiter, die selbst alle schon Beleidigungen im Internet ausgesetzt waren. Bislang würden nur knapp vier Prozent der Betroffenen von Hasskommentaren, die Täter strafrechtlich verfolgen. Teils sei das auch eine Ursache für die zunehmende Enthemmung im Netz, Täter würden nur selten bestraft und bekämen den Eindruck, das Internet sei ein rechtsfreier Raum, sagt von Hodenberg.

Grauzonen im Netz

Und vor Gericht Erfolg zu haben, ist auch nicht ganze einfach. Denn es gibt viele Grauzonen, wie ein Fall der Bundestagsabgeordneten Renate Künast zeigt: Der Grünen-Politikerin wurden Links zu Enthauptungsvideos geschickt, dann der Kommentar: “Von Ihnen würde ich auch gerne eines sehen.” Künast stellte eine Strafanzeige, von der Staatsanwaltschaft erhielt sie eine mehrseitige Begründung, warum kein Straftatbestand erfüllt sei. Künast unterstützt HateAid und ist selbst Mandantin, fordert mehr auch die Justiz auf, etwas zu tun: Die Rechtsprechung, gemäß des 21. Jahrhunderts, zu überdenken.

Obwohl Verfasser von hasserfüllten Kommentaren im Internet eine Minderheit darstellen, ist ihre Reichweite enorm groß: „50 Prozent der Likes und Hasskommentare auf Facebook kommen von nur fünf Prozent der Nutzer“, sagt von Hodenberg. Laut einer Studie des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft trauen sich 54 Prozent der Internetnutzer nicht mehr ihre politische Meinung im Netz zu äußern, aus Angst vor Hass und Hetze. Wenn Politiker anfingen sich selbst zu zensieren, sagt von Hodenberg, sei das eine Gefahr für unsere freie und offene Gesellschaft.

Renate Künast hat nach einem digitalen Shitstorm die Angreifer zurückverfolgen lassen. Übernommen hat das der Verein #ichbinhier. Es stellte sich heraus, dass eine Gruppe von Identitären und der AfD in Brandenburg und Nordrhein Westfalen hinter den Hassbotschaften steckte. Anna-Lena von Hodenberg zieht eine Verbindung zwischen Hass im Netz und Gewalt in der Realität – etwa beim Fall des ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Aufgrund seiner liberaleren Flüchtlingspolitik waren etliche Anfeindungen und Drohungen gegen ihn im Internet verbreitet worden. „Da werden Stimmungen geschaffen, die auch in analoge Gewalt umschlagen können.”

Joana Nietfeld

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