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Auf dem Weg ins Katastrophengebiet: US-Präsident Donald Trump und seine Frau Melania.
© Jacquelyn Martin/AP/dpa

Hurrikan in den USA: "Harvey" zeigt die schlechteste Seite der USA

Die Katastrophe in den USA fördert Heldengeschichten zu Tage - und demonstriert zugleich die Schwächen Amerikas als staatliche Gemeinschaft. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Anna Sauerbrey

Noch ist die Lage in Houston unklar. Noch weiß niemand, wie viele Leben Harvey und die Überflutung fordern. Doch schon jetzt zeigt sich: Sturm und Unwetter holen das Beste aus den Amerikanern heraus – und zeigen die schlechteste Seite der USA als Staat.

Auf den amerikanischen Nachrichtenkanälen, aber auch in den sozialen Medien, dominieren in diesen Tagen Heldengeschichten die Berichterstattung. Auf der Interstate 10 retten Autofahrer am Mittwoch einen älteren Mann aus einem Wagen, der von den Fluten weggespült zu werden drohte. Sie stiegen aus und bildeten im Wasser eine Menschenkette. In einer Notunterkunft improvisieren Menschen, die sich eben erst kennengelernt haben, eine Geburtstagsparty für einen kleinen Jungen. Ein Arzt lässt sich mit dem Boot in das Überflutungsgebiet bringen, um eine Notoperation durchzuführen. Eine junge Frau, Mutter zweier kleiner Kinder, denkt im Interview darüber nach, wo sie ein neues Leben beginnt.

Es ist diese große Solidarität, diese unerschrockene Hilfsbereitschaft, dieser nüchterne Mut, die dieses Land großartig machen – und so einzigartig. So oft wird geschrieben über Amerika, das geteilte Land. Harvey zeigt, wie stark die menschliche Gemeinschaftlichkeit sein kann, wie real die amerikanische Idee.

Doch auch schon jetzt – Tage und Wochen, bevor die politische Bilanz fällig ist – zeigen sich inmitten der Katastrophe auch die Schwächen der USA als staatliche Gemeinschaft.

Eine extrem wirtschaftsliberale Politik zum Beispiel, die Wachstum um jeden Preis fördert und keine ökologische oder soziale Bedenkenträgerei zulässt. Houston sei einfach zu schnell und ohne Rücksicht auf Verluste zu nah an die beiden großen Auffangbecken der Stadt herangewachsen, sagen jetzt Experten.

In Harvey scheint auch der ideologische Streit über den Klimawandel auf. Das Budget des National Weather Service, der den Weg des Hurrikans vorhersagte, will Trump um sechs Prozent kürzen, das des Nationalen Ozean- und Atmosphäreninstituts sogar um 16 Prozent. Die Kürzungen sind Teil jenes Kampfes zwischen Fakt und Fiktion, den Trump befeuert – und der das Management künftiger Katastrophen erschweren dürfte.

Die Trumps verkleidet als Nothelfer

Und natürlich blieb auch der Trump-Moment nicht aus. Zwar war Trump – anders als George W. Bush 2005 nach Katrina – schnell vor Ort. Doch das Bild von Melania und Donald Trump, sie in Stilettos und Bomberjacke, er in nagelneuen Stiefeln, bestätigte viele Trump-Kritiker in ihrer Ablehnung: Die beiden sahen verkleidet aus, verkleidet als Nothelfer, verkleidet als Präsidentenehepaar, ein Sinnbild des neuen amerikanischen Surrealismus.

Nachdem Katrina New Orleans verwüstet und 1400 Menschen das Leben gekostet hatte, folgte ein nationales Trauma. Heute geht es der Stadt zwar wirtschaftlich nicht schlecht. Doch der Wiederaufbau hat die Gentrifizierung beschleunigt, die schwarze Mittelschicht wurde aus der Stadt gedrängt. Geblieben sind die, die nicht einmal das Geld haben, wegzugehen. Die Segregation hat sich verstärkt.

In Houston, der brummenden, internationalen Wirtschaftsmetropole, sind die Voraussetzungen andere, es muss kein weiteres Trauma folgen. Die Hoffnung aber, das zeigen die Bilder und Nachrichten dieser Tage, liegt in der Solidarität der Menschen – nicht der Solidarität der Regierenden mit den Menschen.

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