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Der Favorit: Ebrahim Raisi ist bislang Chef der iranischen Justiz.
© via REUTERS

Konservativ, kaltblütig, kompromisslos: Hardliner Ebrahim Raisi greift im Iran nach der Macht

Die Zeit der Reformer ist vorbei. Irans Regime lässt nur Erzkonservative zur Präsidentenwahl zu. Kommt es jetzt zum Bruch mit dem Westen?

Es ist ein klares Signal der autokratischen Herrscher, nach innen und außen. Der Hardliner Ebrahim Raisi greift nach dem Präsidentenamt im Iran. Der sogenannte Wächterrat in Teheran schloss die wichtigsten Konkurrenten des 60-jährigen von der Wahl am 18. Juni aus und machte ihn damit zum unumstrittenen Favoriten.

Hinter der Entscheidung steht der greise Revolutionsführer Ali Chamenei, der seine Nachfolge regeln und die Macht in den Händen der Erzkonservativen konzentrieren will. Die Beziehungen des Iran zum Westen könnten noch schwieriger werden. Der Wächterrat, ein von Chamenei kontrolliertes Gremium zur Vorauswahl von Kandidaten bei Wahlen und lässt sieben Bewerber für die Abstimmung im Juni zu, darunter Raisi, den amtierenden Chef der iranischen Justiz.

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Die Bewerbungen von prominenten Gegnern Raisis wurden abgelehnt: Der frühere Präsident Mahmud Ahmadinedschad sowie zwei Hoffnungsträger der Reformer – der ehemalige Parlamentspräsident Ali Laridschani und der amtierende Vizepräsident Eschak Dschahangiri – dürfen nicht antreten.

Chamenei schneidet als mächtigster Mann des Landes so die Präsidentenwahl ganz auf Raisi zu. Der führt seine Abstammung auf den Propheten Mohammed zurück, trägt deshalb einen schwarzen Turban und wird seit Langem von Chamenei gefördert. Als Staatsanwalt war Raisi 1988 an Massenhinrichtungen angeblicher Regimegegner beteiligt; damals wurden rund 5000 Menschen getötet. Seit 2007 ist er Mitglied im „Expertenrat“, der den neuen Revolutionsführer wählt.

Vor vier Jahren unterlag Raisi bei der Präsidentenwahl dem moderaten Reformer und scheidenden Amtsinhaber Hassan Ruhani. 2019 ernannte Chameini den Juristen Raisi, der sich als Korruptionsbekämpfer präsentiert, zum Chef der Justiz. Für den 82-jährigen Chamenei ist die Präsidentenwahl eine willkommene Gelegenheit, seine eigene Nachfolge vorzubereiten, die in den kommenden Jahren anstehen könnte.

Die Macht des Revolutionsführers

Nach dem Sieg der Hardliner bei den Parlamentswahlen im vergangenen Jahr will er nun offenbar sicherstellen, dass auch das Präsidentenamt an einen Verfechter eines kompromisslosen Kurses in der Innen- und Außenpolitik geht. Und: Raisi gilt als möglicher neuer Revolutionsführer nach Chameinis Tod. Sein Sieg bei der Wahl wäre für dieses Amt kein Hindernis: Auch Chameini war Präsident, als er 1989 nach dem Tod des legendären Staatsgründers Ruhollah Chomeini vom Expertenrat zum Revolutionsführer auf Lebenszeit gewählt wurde.

Offizielle Porträts, die in jedem staatlichen Büro hängen, zeigen Chamenei mit einem großväterlich milden Lächeln. Doch das Äußere täuscht. Chamenei ist ein knallharter autoritärer Herrscher. Als religiöses und politisches Oberhaupt, der auch die Streitkräfte befehligt, hat der Ajatollah in allen staatlichen Belangen das letzte Wort. Im Innern repräsentiert er ein repressives Regime, das jede Art von Opposition brutal bekämpft.

Irans Revolutionsführer Ali Chamenei will die Macht in den Händen der Erzkonservativen konzentrieren.
Irans Revolutionsführer Ali Chamenei will die Macht in den Händen der Erzkonservativen konzentrieren.
© AFP

Die Macht des Klerus lässt er von niemanden infrage stellen. Dazu passt das Bestreben, die islamistische Revolution in andere Staaten tragen zu wollen. Chameneis Außenpolitik ist geprägt von einer feindseligen Haltung und tiefem Misstrauen gegenüber den USA, Israel und dem Westen. Doch der oberste Führer ist kein blindwütiger Hasardeur, sondern ein kühl kalkulierender Machtstratege.

Im Laufe der Jahre musste sich Chamenei, 1939 als Sohn eines Geistlichen in der Pilgerstadt Mashhad geboren und ein Freund der Poesie, mehrfach gegen Konkurrenten durchsetzen und seinen anfangs infrage gestellten Führungsanspruch immer wieder verteidigen.

Das gelang ihm. Allerdings entschied er sich in diesen Machtkämpfen für eine Seite – die der Hardliner. Jetzt geht es Chamenei vor allem darum, sein Haus zu bestellen. Offenbar will er Streit um seine Nachfolge dadurch verhindern, dass er Hardliner an allen Schalthebeln der Macht installiert.

Die enttäuschten Wähler

Damit riskiert Chamenei, dass die Iraner:innen die Abstimmung als abgekartetes Spiel ablehnen. Der Wächterrat versuche nicht einmal, den Anschein zu erwecken, das Volk könnte zwischen verschiedenen Kräften wählen, schreibt Experte Ali Fathollah-Nejad von der Freien Universität Berlin auf Twitter.

Eine niedrige Wahlbeteiligung könnte die Islamische Republik in eine schwere Legitimationskrise stürzen.

Nach der Vorauswahl des Wächterrates forderte Noch-Präsident Ruhani von Chamenei, er solle die Abstimmung doch noch für andere Bewerber öffnen. Auch Raisi verlangte eine Korrektur der Vorauswahl. Ruhani und Raisi sind zwar politische Konkurrenten, aber als Spitzenvertreter des Regimes haben sie eines gemeinsam: die Sorge, dass eine Mehrheit der 59 Millionen Wähler:innen am 18. Juni zu Hause bleiben könnte. Nach Einschätzung von Alex Vatanka, Iran-Experte beim Nahost-Institut in Washington, könnte die Beteiligung auf 20 Prozent sinken.

Konfrontation statt Kompromisse

Eine komplette Machtübernahme der Hardliner in Teheran würde neue Probleme für das Verhältnis des Landes zum Westen aufwerfen. Das vom konservativen Lager dominierte Parlament versucht schon jetzt, die Verhandlungen der scheidenden Regierung des Reformers Ruhani mit Europa und den USA über eine Wiederbelebung des Atomabkommens von 2015 zu torpedieren. Raisi hat Ruhanis Öffnungspolitik gegenüber dem Westen häufig kritisiert.

Auch die jüngst eingeleitete vorsichtige Annäherung des Iran an den regionalen Rivalen Saudi-Arabien wäre gefährdet. Dass ein Präsident Raisi die von Ruhani begonnenen Gespräche mit dem Königshaus in Riad fortsetzen würde, ist sehr fraglich. Unter seiner Führung könnte zudem die iranische Revolutionsgarde, die für eine aggressive Außenpolitik in Ländern wie Syrien, Irak und Jemen steht, ihren politischen Einfluss wahrscheinlich weiter ausbauen. Dem Nahen und Mittleren Osten stehen unruhige Zeiten bevor.

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