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Im Wahlkampfmodus: Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) singt in Duisburg mit der Gruppe "Brings".
© dpa

Wahl in NRW: Hannelore Kraft setzt auf sich selbst

Hannelore Kraft wirbt mit dem Bonus als SPD-Ministerpräsidentin um die Macht in Nordrhein-Westfalen. Aber in den Gesichtern der SPD-Führung ist abzulesen, dass es auch schief gehen könnte.

Das Baby schläft, als Hannelore Kraft auf die Wiese vor der Bühne in der Innenstadt von Duisburg stürmt, um den verdutzten Eltern, die neben dem Kinderwagen sitzen, die Hände zu schütteln. Um sie herum ein Heer an Kameraleuten und Fotografen. Vielleicht liegt es daran, dass SPD-Parteichef Martin Schulz zu spät zu dieser Abschlusskundgebung der SPD in Nordrhein-Westfalen kommt, vielleicht daran, dass man als Wahlkämpfer einfach nicht aus dem „Ich-bin-bürgernah“-Modus herauskommt. Andererseits bleibt der Ministerpräsidentin gar nichts anderes übrig, als weiter zu rennen, Hände zu schütteln, „nah’ bei de Leut’“ zu sein bis zum Wahltag, und sie liefert am Freitagnachmittag vor dem Baby die Erklärung gleich mit: „Zu glauben, auf den letzten Metern geht es noch um Inhalte, wäre ja vermessen.“

Es geht um die Macht. Die SPD, die seit 2010 regiert, könnte sie am Sonntag bei den Landtagswahlen verlieren. In den meisten Umfragen liegen CDU und SPD gleichauf, in zwei Befragungen liegt die CDU um Herausforderer Armin Laschet sogar vor den Sozialdemokraten. NRW – das ist die kleine Bundesrepublik. Wer hier gewinnt, der setzt ein deutliches Zeichen für die Bundestagswahl. Noch auf dem Rasen, bevor die Kundgebung mit Außenminister Sigmar Gabriel, Parteichef Martin Schulz und dem so in die Kritik geratenen Innenminister Ralf Jäger beginnt, sagt Kraft noch einen Satz: „Wer will, dass ich das Land weiterführe, muss beide Stimmen der SPD geben.“

Die Grünen, der so gemochte Koalitionspartner, sind vergessen. Das sagt der Satz auch. Es geht nur noch um die SPD, nur um Hannelore Kraft, um das letzte Ass in ihrer Hand: den Bonus als Ministerpräsidentin. Aber in den Gesichtern der SPD-Führung ist abzulesen, dass man weiß, es könnte auch schief gehen.

Man brauche einen starken Staat, ruft Hannelore Kraft

Auf der Terrasse eines Cafés hinter der Bühne sitzt schon zeitig ein Mann im dunklen Anzug und dunkler Sonnenbrille. Als Ralf Jäger an ihm vorbeikommt, steht er nicht auf. Sigmar Gabriel guckt nur hoch, grüßt kurz und lässt Jäger weiterziehen. Später, als Kraft die Bühne betritt, stehen Gabriel und Schulz in einer Ecke und unterhalten sich mit ernsten Gesichtern. Falls es schief gehen sollte, muss es ja eine Absprache geben, wie man das dann kommuniziert.

Oben auf der Bühne, vor rund 800 Zuhörern, fängt Kraft nochmals im Jahr 2010 an. Damals sei man als Gegenentwurf angetreten zu einer Regierung, die „privat vor Staat“ wollte. Man brauche aber einen starken Staat, ruft Kraft und erklärt: „Wir haben die Kommunen wieder von der Intensivstation geholt.“ Kraft setzt zwar ganz auf sich selbst, trotzdem vermeidet sie es, aufgesetzt siegesgewiss zu sein, wie vor ihr Martin Schulz.

Ein paar Stunden zuvor trifft man alle Parteien auch im Speckgürtel von Köln, etwa in Pulheim. Mitten auf dem Markt versucht die Grünen-Spitzenfrau und Bildungsministerin Sylvia Löhrmann zu erklären, wie die Grünen künftig mit G8 verfahren wollen. Ab Klasse sechs solle beurteilt werden, ob ein Kind nach acht oder neun Jahren Abitur machen kann, die Schulen sollen beides anbieten. Eine Frau fragt dreimal nach, bis ihr klar ist, dass es kein radikales Zurück zu G9 geben soll. Löhrmann und Kraft ähneln sich nicht nur optisch, sie sind auch ähnlich robust, beide haben früh den Vater verloren, sind es gewohnt, allein zu kämpfen. Rot-Grün in NRW ist wohl passé. Kraft und Löhrmann kämpfen jetzt jede für sich. Ums politische Überleben. Auch am Samstag noch.

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