Nach Tod eines Polizisten in Bayern: Haftbefehl wegen Mordes gegen "Reichsbürger" erlassen
Vier Polizisten hatte der "Reichsbürger" bei einer Razzia durch Schüsse verletzt. Einer der Beamten starb später. De Maizière mobilisiert den Verfassungsschutz.
Nach den Schüssen eines sogenannten Reichsbürgers im mittelfränkischen Georgensgmünd ist ein Polizist seinen Verletzungen erlegen. "Er ist jetzt tatsächlich verstorben", sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Mittelfrankens am Donnerstagmorgen. Am Mittwochabend hatte die Polizei den Tod des Beamten zunächst noch fälschlicherweise vermeldet.
Ein Richter erließ am Donnerstag Haftbefehl wegen Mordes gegen den Schützen. Wie eine Sprecherin der Nürnberger Staatsanwaltschaft am Donnerstag sagte, werden dem selbst ernannten "Reichsbürger" zudem versuchter Mord und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Der 49-Jährige äußerte sich bislang weder bei der Polizei noch vor dem Ermittlungsrichter zu den Vorwürfen. Er kommt nun in Untersuchungshaft in das Nürnberger Gefängnis.
Er hatte am Mittwoch bei einer Razzia auf Beamte geschossen und insgesamt vier Polizisten verletzt, darunter den jetzt verstorbenen Beamten. Das Landratsamt wollte bei dem Einsatz die 31 Waffen des Jägers sicherstellen, weil es den Mann als nicht mehr zuverlässig einstufte. Die Behörden hatten zuvor seinen Jagdschein und seine Waffenbesitzkarte für ungültig erklärt. Bei Kontrollterminen hatte der 49-Jährige Mitarbeiter des Landratsamtes von seinem Grundstück verwiesen.
"Reichsbürger" erkennen die Bundesrepublik nicht an. Stattdessen behaupten sie, das Deutsche Reich bestehe bis heute fort. Sie sprechen dem Grundgesetz, Behörden und Gerichten die Legitimität ab und akzeptieren auch amtliche Bescheide nicht. Etliche Akteure sind nach Einschätzung von Verfassungsschützern auch in der rechtsextremen Szene aktiv.
Nach Einschätzung der Amadeu-Antonio-Stiftung, die seit ihrer Gründung 1998 Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus entgegentritt, wurde die Gruppierung in Deutschland lange Zeit unterschätzt. "Die "Reichsbürger" wurden lange verharmlost und als Spinner oder Querulanten abgetan", sagte Jan Rathje, Experte für Rechtsextremismus der Stiftung, der "Heilbronner Stimme". In den vergangenen Jahren habe die Sensibilisierung in Behörden oder etwa bei Gerichtsvollziehern aber zugenommen, auch durch Aufklärungsarbeit.
Experten halten die Gruppe für sehr gefährlich
Rathje hält die Bewegung für sehr gefährlich. "Ihre Ideologie, die im Kern rechtsextrem und oft antisemitisch und gebietsrevisionistisch ist, läuft über kurz oder lang immer auf einen Konflikt mit dem Staat hinaus." Zudem gebe es "Verbindungen und Überschneidungen zum organisierten rechtsextremen Milieu".
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Irene Mihalic warf dem Bundesamt für Verfassungsschutz vor, das Gefahrenpotenzial der Reichsbürgerbewegung "in fataler Weise" unterschätzt zu haben. Zudem kritisierte sie im ARD-Politikmagazin "Kontraste", dass es bislang keine Überblick gebe, in welchem Umfang "Reichsbürger" im Besitz von Waffen seien, obwohl es seit längerem deutliche Hinweise gebe, dass sich "Teile dieser Bewegung radikalisiert und bewaffnet haben".
Im jüngsten Jahresbericht des Bundesverfassungsschutzes finden sie keine Erwähnung. Nach den tödlichen Schüssen in Bayern könnte sich das ändern. "Wir haben unseren Verfassungsschutz gebeten, sich des Themas anzunehmen und die bisherigen Bewertungen zu überprüfen", erklärte das Bundesinnenministerium am Donnerstag.
Auch der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Stephan Mayer (CSU), forderte in dem Zusammenhang ein härteres Vorgehen gegen die "Reichsbürger". Es sei eine "eingehende Überprüfung erforderlich, ob Anhänger dieser Szene Waffen besitzen, so dass diese dann entzogen werden können", sagte er dem "Handelsblatt". Der aktuelle Fall zeige, dass die Polizei dabei mit aller gebotenen Vorsicht, aber auch Härte vorgehen müsse. "Es handelt sich nicht um einige Spinner und Anhänger kruder Theorien, sondern offenbar um zu großer Brutalität fähige Personen." Daher sei auch eine umfassende Beobachtung durch den Verfassungsschutz nötig. (dpa)