Atommüll: Habeck: Sellafield-Castoren können nicht nach Brunsbüttel
Nachdem das Zwischenlager Brunsbüttel seine Betriebserlaubnis verloren hat, sieht der Kieler Umweltminister Robert Habeck keine Möglichkeit mehr, früher gemachte Zusagen noch einzuhalten. Hendricks hofft weiter auf Schleswig-Holstein.
Die Bundesregierung wird ihr Zwischenlager-Problem nicht los. Wohin die 26 Castorbehälter mit hochradioaktiven Atomabfällen aus den Wiederaufarbeitungsanlagen im britischen Sellafield und im französischen La Hague gebracht werden solle, die Deutschland noch zurücknehmen muss, bleibt unklar. Zwar hatten Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg schon vor zwei Jahren signalisiert, dass sie grundsätzlich bereit wären, einen Teil dieser Castoren in einem der standortnahen Zwischenlager unterzubringen. Doch nachdem das Zwischenlager Brunsbüttel in der vergangenen Woche endgültig seine Betriebserlaubnis verloren hat, sagte der Kieler Umweltminister Robert Habeck (Grüne) am Freitag im Landtag in Kiel, dass sein Land nun wohl nicht mehr helfen könne.
Vergangene Woche lehnte das Bundesverwaltungsgericht einen Antrag des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) als Genehmigungsbehörde, sowie des Betreibers Vattenfall ab, Revision gegen ein entsprechendes Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig im Sommer 2013 zuzulassen. Zwar habe „das Land keine politischen Einwände gegen eine Einlagerung in den schleswig-holsteinischen Standortzwischenlagern“, aber das „nützt dem Bund nichts, wenn es an einem Standort kein genehmigtes Zwischenlager mehr gibt und an anderen keine Kapazitäten mehr vorhanden sind“, sagte Habeck.
In Schleswig-Holstein ist kein Platz
Habeck argumentierte, dass Vattenfall womöglich auch einen Antrag stellen könnte, die Castoren aus Brunsbüttel und die noch nicht befüllten weiter benötigten Behälter mit den derzeit noch im Reaktordruckbehälter gelagerten Brennelementen in das "immer noch standortnahe" Zwischenlager des Atomkraftwerks Brokdorf zu transportieren. Dort wäre Platz für 100 Behälter, derzeit sind 26 Castoren eingelagert.
Kämen weitere 20 aus Brunsbüttel dazu, wäre für die Castoren aus Sellafield kein Platz mehr. Denn das Akw Brokdorf ist eines der letzten, das stillgelegt werden wird, und die Brennelemente, die bis dahin verbraucht werden, müssen ebenfalls dort zwischengelagert werden. Das Zwischenlager in Brunsbüttel war für 80 Castoren genehmigt, neun stehen derzeit dort. Im Reaktordruckbehälter stecken aber noch so viele Brennelemente, dass zwölf weitere Castoren gebraucht würden, um sie dort herauszunehmen. Damit wird der geplante Rückbau der Anlage zunächst ausgebremst.
Vor fast zwei Jahren hat der damalige Umweltminister Peter Altmaier (CDU) der damals neu gewählten rot-grünen Landesregierung in Niedersachsen zugesagt, dass keine weiteren Castorbehälter mit hochradioaktiven Abfällen mehr in das zentrale Zwischenlager in Gorleben transportiert werden würden. Um Niedersachsens Zustimmung zum Standortsuchgesetz zu gewinnen, also den Versuch, einen neuen Anlauf zur Suche eines Endlagers für stark strahlenden Atommüll zu finden, hatte Altmaier damals guten Willen zeigen wollen. Doch seine Zusage, nach einem alternativen Standort für diese Castoren zu suchen, konnte er vor der Bundestagswahl nicht mehr erfüllen.
Seine Nachfolgerin Barbara Hendricks (SPD) hat es ebenfalls nicht geschafft, eine Lösung zu finden. Habeck kritisierte: „Bis heute hat die Bundesregierung weder ein drittes Land noch eine Lösung dafür gefunden.“ Hendricks sagte am Freitag: „Wir sind uns darüber im Klaren, dass es mit dem Urteil zu Brunsbüttel schwieriger wird, die Aufnahme von Castoren aus Großbritannien in Schleswig-Holstein umzusetzen."
Sie sei aber "froh, dass die Landesregierung ihre Zusage nicht grundsätzlich in Frage stellt, sondern auf die nun entstandenen Schwierigkeiten hinweist". Das Umweltministerium werde nun mit der Landesregierung diskutieren, "welche Optionen für eine Unterbringung von Castoren in Schleswig-Holstein bestehen", sagte Hendricks dem Tagesspiegel.
Was hat Vattenfall vor?
Vattenfall wiederum hat noch nicht entschieden, ob der Konzern eine neue Betriebserlaubnis für das Zwischenlager beantragt oder eine andere Lösung sucht, sagte eine Vattenfall-Sprecherin dem Tagesspiegel. Denkbar wäre nach Einschätzung von mit dem Atomrecht vertrauten Rechtsanwälten aber auch eine Verfassungsklage von Vattenfall. Im Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Schleswig hat das BfS auf Anweisung des Umweltministeriums aus "Geheimschutzgründen" viele Prüfdokumente zur Sicherheit der Anlage nicht vorlegen können.
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks argumentierte deshalb nach Bekanntwerden des Urteils, dass das Gericht nicht in der Sache entschieden habe, dass das Zwischenlager einem Absturz einer großen Verkehrsmaschine, also des A 380, oder dem Einsatz panzerbrechender Waffen nicht widerstehen könne. Dies sei vor Gericht lediglich "nicht ausreichend nachgewiesen" worden. Genau deshalb könnte Vattenfall nun argumentieren, dass es im Besitz einer von der Sache her "gültigen" Betriebserlaubnis sei, und dass die Grundrechte des Unternehmens durch die Geheimhaltungspolitik der Regierung vor Gericht verletzt worden seien. Juristen geben dieser Argumentation in Karlsruhe gute Chancen.
Habeck sagte am Freitag, die neun Castoren in Brunsbüttel "dürfen nicht in einem ungenehmigten Zwischenlager verbleiben. Sie dürfen allerdings auch nicht einfach in Brunsbüttel auf den Parkplatz gestellt werden“. Deshalb sei er gezwungen gewesen, eine Duldung bis 2018 auszusprechen, sagte Habeck. In ein so geduldetes Zwischenlager dürften aber weder die noch benötigten zwölf Castorbehälter mit den Brennelementen aus dem Brunsbütteler Reaktor noch Castoren aus Sellafield eingelagert werden.
Er forderte ein „nationales Zwischenlagerkonzept“, weil er nicht damit rechnet, dass bis zum Auslaufen der Genehmigungen der anderen Standortzwischenlager nach 40 Jahren seit der ersten Einlagerung ein Endlager gefunden sein wird. Man müsse darüber nachdenken, „größere, sicherere Zwischenlager an anderen Standorten zu bauen“, bis ein Endlager gefunden sei. „Überall befürchtet man, dass Zwischenlager zu Endlagern werden“, sagte er. Die FDP hatte am Freitag beantragt, keine Castoren aus Sellafield in einem schleswig-holsteinischen Zwischenlager unterzubringen sondern sie stattdessen in das zentrale Zwischenlager in Gorleben zu transportieren. Nur dort gebe es die notwendigen technischen Voraussetzungen, argumentierte der FDP-Abgeordnete Oliver Kumbartzky. Die zweistündige Landtagsdebatte wurde leidenschaftlich geführt, führte aber nicht wesentlich weiter. Der Antrag wurde an die Ausschüsse verwiesen.