Atomkraft statt Windräder: Habeck kritisiert Frankreichs Energiepolitik als „planwirtschaftlich“
Dass Frankreich weiterhin auf Atomkraftwerke setzt, hält der Wirtschaftsminister für falsch. Deutschland werde sich mit grünen Energien einen Vorteil sichern.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat sich kritisch über die französische Energiepolitik geäußert. Frankreich habe 50 Atomkraftwerke, von denen aktuell wegen Wartungsarbeiten und Defekten zehn nicht am Netz seien. „Frankreich importiert im Moment aus Deutschland Strom mit der ach so sicheren Atomkraft“, sagte Habeck am Mittwochabend auf der Konferenz „Europe 2022“.
Im Gespräch mit dem Chefredakteur der Wirtschaftswoche, Beat Balzli, erneuerte der Vizekanzler seine Kritik an der EU-Kommission, die in ihrem delegierten Rechtsakt der sogenannten Taxonomie Atomkraft und Erdgas als nachhaltig gelabelt hat. „Ich halte das für eine Chimäre dieses Jahres, dass man glaubt, Atomkraft ist die günstigere und sicherere Energie.“
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Mit Blick auf den Weltmarkt, verwies der Grünen-Politiker darauf, dass neue Atomkraftwerke schon jetzt teureren Strom produzieren würden als neue Offshore-Windanlagen. „Natürlich ist die Infrastruktur anspruchsvoller“, sagte Habeck über die erneuerbaren Energien. „Anspruchsvoll ist aber der Treiber von Innovation“, sagte Habeck weiter.
Den Weg des Nachbarlandes hält der Vizekanzler daher für falsch: „Das, was Frankreich im Moment macht ist eine sehr planwirtschaftliche, gedeckelte Energieversorgung einer altmodischen Industrie.“ Die alten Atomkraftwerke müssten pro Meiler für rund zwei Milliarden Euro renoviert werden – und dann seien sie immer noch störungsanfällig, sagte Habeck. „Je älter die werden, desto unsicher werden sie“, sagte Habeck, der in Schleswig-Holstein, in seiner Zeit als Minister für Landwirtschaft und die Energiewende für drei Atomkraftwerke verantwortlich war.
Auch die neuen Atomkraftwerke, wie sie beispielsweise im Norden von Frankreich gebaut werden sollen, würden sich in der Planung um das vierfache verzögern „und die Kosten gehen in das Gigantische“. Mittelfristig werde nicht Frankreich, sondern Deutschland energiepolitisch besser dastehen, sagte Habeck und nannte dabei das Jahr 2030. „Es wird ein Standortvorteil für die deutsche Wirtschaft sein, diesen Weg zu gehen.“
Mit ein bisschen gutem Willen zu genug Erneuerbaren Energien
Optimistisch hat sich der Wirtschaftsminister dazu geäußert, bei der Energiewende schnell voranzukommen. „Mit ein bisschen gutem Willen bekommen wir es hin, genug Energie in Deutschland zu produzieren und trotzdem in einem Land zu leben, das man Heimat nennen kann“, sagte Habeck. Im Gespräch erläuterte der Vizekanzler seinen Plan, bis 2030 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien herzustellen.
„Am Ende muss es eine Nachfrage nach dem Ausbau von erneuerbaren Energien geben“, sagte Habeck. Darauf arbeite man hin, indem man die Bürgerinnen und Bürger in Zukunft wieder stärker beteiligen wolle beim Bau von Windparks. „Dann sind da die Windanlagen, die greifen in die Landschaft ein, aber man kann damit Geld verdienen“, sagte der Grünen-Politiker.
Kommunen könnten sich durch Beteiligung an Windparks entschulden, skizzierte Habeck weiter. „Die Schule wird renoviert, die Schwimmbäder haben wieder offen, das Internet ist ein schnelles Internet – alles durch den Ausbau der erneuerbaren Energien“, so der Wirtschaftsminister.
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Noch sei man jedoch nicht so weit, gab Habeck zu. Im Moment gebe es noch viele Bedenken, er müsse „Klinken putzen“. Dafür machte er zum Teil auch seine Vorgänger im Amt verantwortlich. Die vergangenen Jahre hätten eine „nicht strategisch fokussierte Phase“ dargestellt, sagt Habeck.
Allerdings erlebe er ein Umdenken. „Die Industrie hat einen wahnsinnigen Hunger nach Erneuerbaren Energien“, sagte Habeck. Vor allem Wasserstoff sei für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen notwendig. Der Wasserstoff werde jedoch dort produziert, wo auch der Strom produziert werde.
Ein Fingerzeig in Richtung Bayern, wo die bayerische CSU-Landesregierung um Ministerpräsident Markus Söder den Ausbau der Windkraft lange ausgebremst hat. Habeck äußerte die Hoffnung, dass man auch in Bayern den Ruf der Wirtschaft höre. „Man muss am Ende Wahlkämpfe gewinnen mit dem Einsatz für die erneuerbaren Energien.“