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Linksfraktionschef Gregor Gysi
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Weitere Ermittlungen: Gysi und die Stasi: Eine unendliche Geschichte

Die Hamburger Staatsanwaltschaft hat ihre eigentlich in dieser Woche erwartete Entscheidung über eine Anklage gegen Linksfraktionschef Gregor Gysi verschoben und steigt überraschend wieder in die Ermittlungen ein.

Es sah ein paar Wochen lang so aus, als ob im endlosen Streit um Gregor Gysi und seine Stasikontakte in diesen Tagen ein Schlusspunkt gesetzt werden könnte, wenigstens ein vorläufiger. Seit Monaten ermittelt die Staatsanwaltschaft Hamburg, ob eine eidesstattliche Versicherung des Linken-Politikers im Zusammenhang mit einer Fernsehdokumentation, wonach er als damaliger Rechtsanwalt in der DDR „zu keinem Zeitpunkt über Mandanten oder sonst jemanden wissentlich und willentlich an die Staatssicherheit berichtet“ haben will, falsch war. Um das zu klären, ließen sich die Ermittler von der Stasiunterlagenbehörde drei Aktenordner mit Unterlagen schicken, befragten zahlreiche Zeugen. Noch am Montag hieß es, die Ermittlungen seien abgeschlossen, mit der Entscheidung über eine Anklage sei sehr kurzfristig zu rechnen.

Seit Mittwoch nun ist klar: Die Sache zieht sich weiter hin, und das wohl eher weitere Monate als weitere Wochen. Der pensionierte Richter Lothar Thoß, der Gysi vor zwei Jahren anzeigte, hat, wie aus Justizkreisen bekannt wurde, der Staatsanwaltschaft am Montag ein E-Book mit zusätzlichen Hinweisen zur Verfügung gestellt. Sie müssen nun ausgewertet werden, dazu auch weitere Zeugen befragt werden. Die Rede ist sowohl von ehemaligen Stasimitarbeitern als auch von Mitarbeitern des Zentralkomitees der SED. "Wir können diese Hinweise nicht ignorieren", sagte die Hamburger Justizsprecherin Nana Frombach.

Thoß nannte der "Frankfurter Rundschau" zwei Namen von Ex-SED-Funktionären, die aus seiner Sicht als mögliche Zeugen in Frage kommen: Ursula Jung und Raoul Gefroi. Beide waren Mitarbeiter der Abteilung Staat und Recht im SED-Zentralkomitee. Denn Gysi habe immer wieder geltend gemacht, in seiner Zeit als Anwalt nicht mit dem Ministerium für Staatssicherheit direkt, sondern nur mit dem ZK über Mandate gesprochen zu haben. Wobei der pensionierte Richter, der die Ermittlungen in Gang gebracht hatte - später hatte die frühere DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld eine weitere Strafanzeige gestellt - nun mit Jung und Gefroi zwei Leute erwähnte, die bereits vor Jahren in Presseberichten zum Fall Gysi vorkamen. Gefroi versicherte seinerzeit: "Dr. Gysi hat mir niemals eine Information zugetragen, die geeignet gewesen wäre, den Interessen seiner Mandanten zu schaden."

Um die Frage, ob der langjährige Vorsitzende der Linksfraktion früher Inoffizieller Mitarbeiter der Stasi war, geht es in dem Verfahren in Hamburg ohnehin nicht. Diese hatte zwar der der Immunitätsausschuss des Bundestages schon in den 1998 "als erwiesen festgestellt". Eine Verpflichtungserklärung aber fanden die Abgeordneten damals nicht. Gysi hat eine frühere Stasitätigkeit immer bestritten und sich mit dieser Position auch in zahlreichen Gerichtsprozessen durchsetzen können.

Im Umfeld des Politikers wird die Wiederaufnahme der Ermittlungen in Hamburg als Hinweis darauf gedeutet, dass bisher die Vorwürfe, wonach Gysi eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben haben könnte, nicht zu erhärten seien. Doch selbst wenn es zu einer Anklage kommen sollte: Der 66-jährige denkt nicht daran, sich vorzeitig aus der Politik zurückzuziehen und das Feld kurzfristig seinen potenziellen Nachfolgern Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch zu überlassen. Kämpferisch wie eh und je trat er erst am Wochenende auf dem Bundesparteitag in Berlin auf, ließ sich von seinen Genossen auch feiern für die Moskau-Reise zu Beginn dieser Woche.

Über seine juristische Arbeit vor der Wende hat Gysi öffentlich wenig berichtet. Er galt als ehrgeizig, zeitweilig war er der jüngste Anwalt der DDR. Erst vor einigen Tagen machte der "Spiegel" Tonbandmitschnitte von Gysi publik, das Plädoyer von Gysi beim Prozess 1978 gegen den oppositionellen Parteigenossen Rudolf Bahro. Damals lobte Gysi das DDR-Justizsystem, während in der kapitalistischen BRD "seit ihrer Gründung das Recht auf Verteidigung stets weiter eingeschränkt" worden sei. "In der sozialistischen DDR dagegen wurde das Recht auf Verteidigung stets ausgebaut" und von "allen Beteiligten mit wachsender Sorgfalt und Aufmerksamkeit beachtet".

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