Rundfunkgebühren: Gutes Fernsehen kostet
Die Verbilligung des Rundfunkbeitrags ist ein schlechter Witz. Ein öffentlich-rechtliches Fernsehen ohne Werbung und dafür mit Qualitätsanspruch, das wär’s. Ein Kommentar
Ist es nicht fantastisch? Der Rundfunkbeitrag kostet nächstes Jahr satte 30 Cent weniger im Monat. 17, 20 Euro statt 17,50. Macht immerhin 3,60 Euro im Jahr und in 100 Jahren 360 Euro. Das lohnt sich. Weil Fernsehen und Radiohören jetzt so viel billiger ist, muss man auch kein schlechtes Gewissen mehr haben, wenn man mal eine Florian-Silbereisen-Show verpasst oder bei Anne Will einschläft.
Im Ernst: Die Verbilligung des Beitrags ist ein Witz. 500 Millionen Euro Überschuss wollen die Öffentlich-Rechtlichen wieder an die Beitragszahler zurückgeben. Man könnte mit diesem Geld, anstatt es für Centbeiträge mit der Gießkanne zu verläppern, ein paar ordentliche Fernsehserien drehen und dazu jede Menge aufwändiger Dokumentationen.
Das hätte die Stärke dieses Systems betont. Denn Fernsehen ist teuer, Qualitätsfernsehen erst recht. Das ist auch der Grund, warum bei den privaten Sendern so viel Schrott läuft – und wenn sie Spielfilme zeigen, dermaßen viel Werbung, dass man gar nicht so viel trinken kann, wie man Pinkelpausen zur Verfügung hat.
Ein öffentlich-rechtliches Fernsehen ohne Werbung und dafür mit Qualitätsanspruch, das wär’s. Dann ist es auch egal, ob es 17,20 oder 17,50 oder meinetwegen 19,99 Euro kostet.
Eigentlich sind Beträge in dieser Höhe sowieso viel zu gering. Was die Deutschen für Medien ausgeben, ist lächerlich. Wir gehen ins Café Einstein und bezahlen für ein Glas Caffè Latte 4,20 Euro. Die Tageszeitung, die wir dabei lesen, kostet 1,50 Euro. In der Papierversion. Elektronisch ist es noch viel billiger. Da stimmt doch etwas nicht. Und viele Menschen konsumieren die Nachrichten lieber im Internet und möchten gerne überhaupt nichts dafür bezahlen. Warum beschweren die sich nicht gleich darüber, dass sie nicht zum Bäcker gehen und die Brötchen einfach so mitnehmen können?
Zu viel Geld wird fürs Personal, zu wenig fürs Programm verwendet
Schon klar, wenn Medien nicht nur durch Werbung finanziert werden, sondern etwas kosten, müssen sie auch etwas bieten. Das gilt ganz besonders für die Öffentlich-Rechtlichen, die eine Zwangsabgabe verlangen. Läuft bei denen das gleiche Zeug wie bei den Privaten, gießen sie Wasser auf die Mühlen von Anti-Gebühren-Kämpfern wie der AfD-Frontfrau Beatrix von Storch, die lieber ins Gefängnis gehen möchte, als die Beiträge zu bezahlen.
Dabei ist die Kampagne von Storch & Co gegen das öffentlich-rechtliche System so unhistorisch wie ahnungslos. Aus guten Gründen wurde dieses System nach dem Krieg etabliert, nämlich um nach dem Propagandafunk der Nazis demokratische Medien zu etablieren. Politisch sollte der neue öffentlich-rechtliche Rundfunk sein und gleichzeitig Distanz zur Politik halten. Die Gebühren garantierten ihm politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit. Sicher, das System hat Mängel, vor allem muss es vor der Gefahr der strukturellen Versteinerung bewahrt werden – zu viel Geld wird fürs Personal, zu wenig fürs Programm verwendet. Aber unterm Strich funktioniert es bis heute. Unter anderem verhindert es die Totalverflachung des Programms unter den heutigen ökonomischen Zwängen. Wer erleben möchte, wie TV-Nachrichten in einer durchkommerzialisierten Fernsehwelt aussehen, kann sich ja mal die „RTL2-News“ ansehen. Die Topmeldungen sind dort vom Schlage „Autowrack mit Leiche aus Badesee gezogen“.
Was aber müssen ARD und ZDF, der Deutschlandfunk und die Legionen von Radiosendern denn nun bieten, um ihre 17,20 Euro im Monat zu rechtfertigen? Sicher nicht nur ein Intellektuellen-Programm. Klar muss man sich gerade in der Unterhaltung auch an den Privaten orientieren, die oft frischer und witziger daherkommen. Und die Gebühren zahlen auch Leute, denen Volksmusiksendungen und freakige Talkshows am Nachmittag gefallen. Aber daneben sollte es eben auch ein paar Experimente mit geistreicheren Formaten geben.
Was noch? Junge Menschen schauen kaum mehr Fernsehen auf konventionelle Art. Wenn die Öffentlich-Rechtlichen in dieser Gruppe nicht total untergehen wollen, müssen sie ihre Sendungen im Internet besser zugänglich machen. Die Mediatheken sind einfach zu schlecht, um die Jungen davon abzuhalten, zu „Netflix“ abzuwandern.
Warum produzieren ARD und ZDF mit ihren acht Milliarden Euro Gebühren nicht mehr von dem, was die anderen sich nicht leisten können? Und ohne Werbung. Dann würde die Diskussion über die Daseinsberechtigung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ganz anders verlaufen.
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