Streit um Flüchtlingspolitik: Gut, dass es die CSU gibt
Die Christsozialen graben mit ihrer stramm konservativen Politik der AfD die Stimmen ab. Das ist gut so. Ein Kommentar.
Heiner Geißler ist auf 180 – und das ist für ein Thema immer ein gutes Zeichen. „Wasser auf die Mühlen der Rechtsradikalen“ sei es, was die CSU fordere, außerdem „geschichtsvergessen und inhuman“, empört sich der CDU-Veteran. Auch Politiker aus allen anderen Parteien finden es ganz schrecklich, was die Christsozialen in ihrem sogenannten Flüchtlingspapier aufgeschrieben haben. Horst Seehofer, so analysiert der SPD-Vizevorsitzende Stegner, sei offenbar der Verstand in die Lederhose gerutscht.
Gefährden die Forderungen der CSU den sozialen Frieden?
Ist es echt so schlimm? Gehen wir mal kurz die zentralen Forderungen der CSU durch: Flüchtlingsobergrenze von 200.000 Menschen, Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft, Burka-Verbot, Vorrang für Zuwanderer „aus dem christlich-abendländischen Kulturkreis“. Sind das verbotene Forderungen, ist es rechtsradikal, gefährden solche Ansichten den sozialen Frieden? Natürlich nicht. Es ist stramm konservative Politik. Es ist eine Politik, die viele (völlig zu Recht) zum Widerspruch herausfordert und von der sich andere, konservativ denkende Bürger, angesprochen fühlen.
Warum also das Geschrei, das Gezeter der anderen Parteien? Sie sollten der CSU dankbar sein. Dafür, dass sie ihre eigenen Positionen von diesen Ansichten klar abgrenzen können. Und auch dafür, dass es diesseits der AfD eine Partei gibt, die nach rechts tendierenden Wählern ein politisches Angebot macht.
Es gibt gute Gründe, die Positionen der CSU für falsch zu halten
Natürlich, man kann die Positionen der bayerischen Schwarzen für grundfalsch halten, und dafür gibt es viele gute Gründe. Einen der besten haben der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki und andere Kirchenleute genannt: Sie halten Obergrenzen und die Fixierung auf den christlichen Kulturkreis für nicht vereinbar mit dem Gebot der Nächstenliebe.
Auch kann man den Unmut von CDU und SPD verstehen, die ihre von Nächstenliebe gezeichnete Koalition durch den aggressiven Partner aus Bayern aufgemischt sehen. Aber was ist – aus Wählersicht – so schlimm daran? Eine „Polarisierung“ der Politik beklagt der Kardinal, aber genau daran fehlt es doch im demokratischen Diskurs – diesseits von Ausländerhetze in Internetforen und radikalem Geschwätz von AfD-Funktionären.
Viele Bürger gehen nicht zur Wahl, weil sie zwischen den Parteien keine Unterschiede mehr erkennen. Was man früher mal als konservativ bezeichnet hat, verkörpert die vielbeschworene „sozialdemokratisierte“ CDU schon lange nicht mehr. Viele ehemalige Unions- und SPD-Wähler haben das Gefühl, dass keine der etablierten Parteien mehr ihre Interessen vertritt. Wen wundert es, dass die zu den Radikalen tendieren?
Das CSU-Programm ist keine Blaupause für die AfD
Rechts von der CSU, sagte einst Franz Josef Strauß, „ist die Wand“. Das stimmt heute nicht mehr. Rechts von der CSU ist die AfD, und es ist unfair zu behaupten, es gebe keinen Unterschied zwischen den Positionen dieser beiden Parteien. Oder, wie oft gesagt wird, das CSU-Programm sei eine Blaupause der AfD-Politik.
Die meisten Forderungen ihres Flüchtlingspapiers erhebt die CSU schon länger, als es die AfD überhaupt gibt. Und: Die CSU möchte nicht auf Kinder an den Grenzen schießen lassen, sie will nicht die Integration abschaffen, sie hetzt nicht gegen alle Muslime, sie möchte auch weiterhin viele Flüchtlinge aufnehmen. Das sind gravierende Unterschiede, die man bei aller Kritik zur Kenntnis nehmen sollte.
Klar ist auch: Das Attribut „populistisch“ gilt durchaus für beide Parteien. Trotzdem kann es allen Demokraten lieber sein, wenn Wähler, die auf einfache Botschaften anspringen, von der CSU eingefangen werden als von der AfD.
Die CSU macht nicht die AfD stark, sondern sich selbst
Aber kann der CSU das überhaupt gelingen, oder macht sie mit ihren Forderungen, wie oft behauptet wird, das AfD-Denken erst „salonfähig“? Die CSU als Wahlhelfer der neuen Rechten? Wenn es so wäre, müsste die AfD gerade in Bayern ja besonders stark sein. Ist sie aber nicht. Im Gegenteil, in Bayern schneidet diese Partei in Umfragen um einiges schlechter ab als in den meisten anderen Bundesländern.
Das liegt sicher nicht nur an der Haudrauf-Rhetorik à la Seehofer. Sondern auch daran, dass in Bayern entgegen dem öffentlichen Image viel für Flüchtlinge getan wird. So zieht Markus Söder zwar über Merkels Integrationsbemühungen her, gleichzeitig haben die Bayern aber ein Integrationskonzept mit einem Volumen von 489 Millionen Euro und Tausenden neuen Stellen umgesetzt.
Dem mag eine etwas seltsame CSU-Dialektik zugrunde liegen. Inhuman, Herr Geißler, ist es nicht.