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Wie viel haben die Mitglieder bei den Grünen noch zu sagen?
© Jan Woitas/dpa

Reaktion auf Parteiwachstum: Grünen-Spitze will Beteiligung für Mitglieder erschweren

Die Grünen haben so viele Mitglieder wie nie, doch deren Anträge legen die Partei teilweise lahm. Nun sollen die Hürden zur Beteiligung verfünffacht werden.

Die Regel besteht bei den Grünen seit ihrer Gründung im Jahr 1980 und gehört gewissermaßen zur DNA der Partei. Um zu große Macht der Vorsitzenden zu verhindern und den Mitgliedern die Möglichkeit zur Mitgestaltung zu geben, waren die Hürden zur Beteiligung von Anfang an niedrig gehalten worden. Lediglich 20 Mitglieder müssen sich finden, um einen Antrag auf einem Parteitag zu stellen. Wenn der Antrag nicht vorher zwischen Parteispitze und Antragstellern wegverhandelt wird, kommt er auf die große Bühne des Parteitags.

Doch die Zeiten, in denen die Grünen weniger als 20.000 – dafür sehr streitlustige – Mitglieder hatten, sind lange vorbei. Sie sind gewachsen und nun zum zweiten Mal in ihrer Geschichte in Regierungsverantwortung. Darauf will der Bundesvorstand reagieren und die Hürden für die innerparteiliche Partizipation deutlich erhöhen. Das geht aus einer Satzungsänderung hervor, die auf dem Bundesparteitag Ende Januar beschlossen werden soll.

Demnach müsste ein Mitglied für einen Antrag künftig 0,1 Prozent der Basis hinter sich versammeln. Bei aktuell 125.000 Mitgliedern rund 125 Unterschriften. Die Hürden für Antragsteller werden somit verfünffacht. Zusätzlich sollen auch Ortsverbände nicht mehr antragsberechtigt sein, weil auch deren Zahl zuletzt stark gestiegen ist.

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Die „schiere Fülle der Anträge ersticke“ den demokratischen Aushandlungsprozess, argumentiert der Bundesvorstand. „Die Mehrheit der Delegierten ist nicht in der Lage, alle Änderungsanträge im Vorfeld zu lesen, sich dazu eine Meinung zu bilden und überlegt abzustimmen“, heißt es zur Begründung. In den vergangenen Jahren ist die Partei rasant gewachsen, unter der Führung von Robert Habeck und Annalena Baerbock verdoppelte sich die Basis.

Am Wahlprogramm gab es 3500 Änderungsanträge

Schon 2013 und 2017 verzeichnete die Antragskommission, die alle Anträge sortieren, verhandeln und ausformulieren muss, eine vierstellige Zahl von Änderungswünschen. Beim Parteitag im Sommer, als es um das Wahlprogramm ging, wurden alle Rekorde gebrochen. Mehr als 3500 Änderungsanträge wurden gestellt. Die Berliner Grünen um Bettina Jarasch wollten Möglichkeiten für einen Mietendeckel, Klimaaktivisten forderten einen Baustopp aller Autobahnen und ein Kreuzberger Grüner wollte das Wort „Deutschland“ aus dem Titel des Wahlprogramms streichen.

Anstrengende Debatten, die im Bundesvorstand teils als Störfeuer im Wahlkampf wahrgenommen wurden, der zu diesem Zeitpunkt bereits ins Stocken geraten war. Auf dem Parteitag folgte die Basis dem Votum der Spitze dann aber in fast allen Punktenn

Für den kommenden Parteitag gibt es noch keinen Änderungsantrag an den Plänen der Parteispitze. Man dürfe den Bundesvorstand nicht in die Arbeitsunfähigkeit treiben, heißt es verständnisvoll an der Basis. Dass auch Ortsverbände ihre Antragsberechtigung verlieren, wird teils kritisch gesehen. Die Mitglieder müssten sinnvoll eingebunden werden.

[Jung, links und streitbar: Lesen Sie mit Tagesspiegel Plus, was Ricarda Lang als mögliche Grünen-Vorsitzende verändern könnte]

Die Anträge zur Satzungsänderung waren bereits Ende 2020 auf der Tagesordnung. Doch nach technisches Problemen beim ersten digitalen Parteitag fehlte damals die Zeit – auch weil die Basis so viele Anträge formuliert hatte.

Dieses Mal soll genug Zeit sein. Höhepunkt des Parteitags Ende Januar wird die Wahl der neuen Vorsitzenden sein. Mit dem Realo-Außenpolitiker Omid Nouripour und der bislang stellvertretenden Bundesvorsitzenden Ricarda Lang vom linken Parteiflügel gibt es zwei aussichtsreiche Bewerbungen.

„Im letzten Jahr haben wir intensiv über die Satzungsänderungen zur Antragsstellung innerhalb der Partei diskutiert“, sagte Bundesgeschäftsführer Michael Kellner dem Tagesspiegel. Er hält die Änderung für notwendig, in diesem Jahr hätten die 3500 Änderungsanträge „die inhaltlich arbeitenden Teile der Bundesgeschäftsstelle währende des Vorwahlkampfs wochenlang lahmgelegt“.

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