„Ich nenne es Zersetzung“: Grünen-Politikerin Künast legt nach Hass-Attacken Verfassungsbeschwerde ein
Renate Künast ist die massiven Hass-Attacken im Internet satt: Die Grünen-Politikerin plant nach mehreren Strafanzeigen nun eine Verfassungsbeschwerde.
Nach massiven Hass-Attacken im Internet will die Grünen-Politikerin Renate Künast Verfassungsbeschwerde einlegen. Das sagte die Bundestagsabgeordnete am Donnerstag bei der Online-Konferenz von re:publica und Media Convention Berlin. Sie plant die Verfassungsbeschwerde gemeinsam mit der Hilfsorganisation Hateaid, mit der sie bereits mehrere Strafanzeigen gestellt und Beschwerdeverfahren vorangebracht hat.
Es gehe es um eine Beschwerde von grundsätzlicher Art, sagte die Juristin Künast. Der Hass im Internet sei etwas ganz Neues. „Ich nenne das Zersetzung“, sagte Künast.
Künast sieht es als ihre Aufgabe, für Rechtsprechung zu sorgen
Angreifer, die Frauen wünschten, dass sie „auf der Domplatte vergewaltigt werden“, verfolgten eine Gesamtstrategie. Sie versuchten, Menschen aus demokratischen Beteiligungsprozessen herauszuhalten. Künast strebt an, dass das Gericht Grenzen und Kriterien aufzeigt auch zur Frage, wie mit Beleidigungen umgegangen werden soll, die im Internet eine riesige Reichweite hätten und auch nie vergessen würden.
Künast hat bereits gerichtliche Erfolge in der juristischen Auseinandersetzung um hasserfüllte und sexistische Beleidigungen erzielt. Sie sagte, als Bundestagsabgeordnete sehe sie es auch als ihre Aufgabe an, für Rechtsprechung zu sorgen.
Bundesweit für Empörung hatte ein Beschluss des Landgerichts Berlin im September 2019 gesorgt, weil Künast demnach auch Beschimpfungen wie „Drecks Fotze“, „Schlampe“, „Sondermüll“ und „Drecksau“ hätte hinnehmen müssen. Inzwischen wurde diese Entscheidung revidiert.
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Zuletzt hatte Künast vor dem Oberlandesgericht Frankfurt (OLG) einen juristischen Erfolg mit einer Unterlassungsklage gegen ein Facebook-Posting errungen. In der nicht anfechtbaren Entscheidung des OLG hieß es, der beklagte Verfasser des Postings habe den Eindruck erweckt, dass er die Klägerin wörtlich zitiere.
Zuvor hatte bereits das Landgericht den Verfasser verurteilt, zu unterlassen, durch diese Darstellung den Eindruck zu erwecken, dass Künast wörtlich den angegebenen Text gesagt habe. In der Werbeanzeige in Form eines sogenannten SharePic hieß es in dem Zitat: „Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist, ist Sex mit Kindern doch ganz o. k. Ist mal gut jetzt.“
Künast geht wiederholt gegen Hass und Hetze vor
Die Darstellung beeinträchtige das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin, hieß es in dem Gerichtsbeschluss, der am Dienstag veröffentlicht wurde. Der Eindruck, es handele sich um ein Zitat, sei tatsächlich unzutreffend. Mit einem Zitat werde nicht eine subjektive Meinung des Kritikers zur Diskussion gestellt, sondern eine objektive Tatsache über den Kritisierten behauptet.
Künast nannte die Entscheidung „ein wichtiges Zeichen im Kampf gegen Hasskommentare und Desinformation“. Falschzitate seien eines der Hauptinstrumente, mit denen der organisierte Rechtsextremismus Hass und Hetze gegen politische Gegner und die Demokratie schüre. „Einmal in der Welt lassen sie sich nur schwer wieder einfangen.“ Die Frankfurter Entscheidung werde „jetzt weit über meinen konkreten Fall Wirkung entfalten“. (epd, dpa)