Vor dem Parteitag: Grüne streiten über Arbeitszeitpolitik
Auf dem Parteitag im November wollen die Grünen darüber debattieren, wie sich Arbeit und Familie besser vereinbaren lassen. Doch gegen den Vorschlag des Parteivorstands, die Bezugsdauer des Elterngelds auf bis zu 24 Monate zu verlängern, regt sich Widerstand.
Den Grünen steht auf dem Parteitag im November Streit über die Arbeitszeit- und Familienpolitik bevor. Widerstand regt sich unter anderem gegen das Vorhaben des Parteivorstands, das Elterngeld um zehn Monate auf bis zu 24 Monate zu verlängern. Diese Ausweitung würde voraussichtlich „erhebliche Kostensteigerungen“ mit sich bringen, heißt es in einem Änderungsantrag des Grünen-Bundestagsabgeordneten Dieter Janecek. Damit wären finanzielle Mittel gebunden, die an anderer Stelle eine größere familien- und zeitpolitische Wirkung entfalten könnten, schreibt Janecek weiter. „Noch immer gibt es große Defizite bei der Kinderbetreuung, teilweise fehlen Plätze, teilweise konnte beim Ausbau des Betreuungsplatzangebots in den letzten Jahren zu wenig auf pädagogische Qualität geachtet werden.“ Zusätzliche Ausgaben wären hier sinnvoller angelegt, argumentiert Janecek. Im Jahr 2014 gab der Bund rund 5,3 Milliarden Euro für das Elterngeld aus.
In Deutschland fehlen immer noch Kita-Plätze
Mit seiner Kritik steht der bayerische Grünen-Politiker nicht allein da. Als Unterstützer für seinen Parteitags-Antrag konnte er unter anderem den schleswig-holsteinischen Energieminister Robert Habeck gewinnen, der die Partei als Spitzenkandidat in die Bundestagswahl 2017 führen will. Zu den Unterzeichnerinnen gehören auch die langjährige Familienexpertin der Grünen-Bundestagsfraktion, Ekin Deligöz, sowie die Hamburger Bundestagsabgeordnete Anja Hajduk, eine der parlamentarischen Geschäftsführerinnen der Fraktion.
Grüne wollen Arbeitszeitpolitik zum Thema im Bundestagswahlkampf machen
Die Grünen wollen die Arbeitszeitpolitik zu einem Schwerpunkt in dieser Wahlperiode machen. Sie wollen damit auch Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) Konkurrenz machen, die mit der Forderung nach einer Familienarbeitszeit das Thema der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu besetzen versucht. Der Vorschlag des Grünen-Parteivorstands sieht nun vor, dass Mütter und Väter bis zum 14. Lebensjahr des Kindes je acht Monate Anspruch auf das Elterngeld haben, weitere acht Monate können sie untereinander aufteilen. Das neue Elterngeld soll auch dazu dienen, stärker als bisher einen finanziellen Ausgleich zu schaffen, wenn ein Elternteil Teilzeit arbeitet. Je weniger die Arbeitszeit reduziert wird, desto länger soll die Bezugsdauer sein. Außerdem ist vorgesehen, dass Eltern nicht nur für den Säugling im Job kürzer treten können, sondern auch später, etwa beim Übergang vom Kindergarten zur Schule. Eine Arbeitsgruppe der Grünen-Bundestagsfraktion hatte vor kurzem ein ähnliches Konzept vorgelegt.
Neues Elterngeld soll Müttern und Vätern mehr Flexibilität ermöglichen
Die Befürworter dieser Idee argumentieren, dass mit dem neuen Elterngeld vor allem eine „vollzeitnahe“ Teilzeit beider Eltern nach dem ersten Lebensjahr des Kindes unterstützt werde. Von vollzeitnahen Stellen spricht man in der Regel ab einer Arbeitszeit von rund 30 Wochenstunden. Janecek hingegen äußert die Befürchtung, dass von einem stark ausgeweiteten Elterngeld insbesondere gut verdienende Akademikerpaare finanziell am stärksten profitieren würden und auch Mitnahmeeffekte entstünden.
Grüne fordern mehr Mitbestimmung der Beschäftigten bei den Arbeitszeiten
Das Konzept des Grünen-Vorstands sieht außerdem ein „neues Leitbild von Vollzeit“ vor: Beschäftigte sollen innerhalb eines Korridors von etwa 30 bis 40 Wochenstunden stärker über ihren Arbeitszeitumfang mitbestimmen können. Unter Einhaltung von Ankündigungsfristen soll es in Betrieben ab einer bestimmten Größe möglich sein, vorübergehend die Arbeitszeit zu reduzieren oder auch wieder aufzustocken. Außerdem wollen die Grünen eine dreimonatige Pflegezeit einführen: Wer sich von seinem Job vorübergehend freistellen lässt, um sich um pflegebedürftige Angehörige oder Bekannte zu kümmern, soll eine Lohnersatzleistung bekommen.