Türkische Wirtschaftskrise: Grüne lehnen bedingungslose Türkei-Hilfen strikt ab
SPD-Vorsitzende Nahles will die Türkei notfalls in der Wirtschaftskrise unterstützen. Grünen-Chefin Baerbock erwidert, Hilfe könne es nur bei Rückkehr zur Demokratie geben. Auch die FDP ist dagegen.
FDP und Grüne haben sich gegen bedingungslose Finanzhilfen für die wirtschaftlich angeschlagene Türkei ausgesprochen. "Blankochecks sind das Gegenteil einer menschenrechtsbasierten Außenpolitik“, sagte Grünen-Chefin Annalena Baerbock dem Tagesspiegel: „Finanzielle Hilfe kann es nur unter der Bedingung der Rückkehr des Landes zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit geben.“ Den Menschen in der Türkei könne ökonomisch nur geholfen werden, wenn ihnen auch politisch geholfen werde. „Voraussetzung für eine starke Wirtschaft sind Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.“
Die Grünen-Vorsitzende reagierte damit auf einen Vorstoß von SPD-Chefin Andrea Nahles, die zuvor deutsche Hilfen für die wirtschaftlich in Bedrängnis geratene Türkei ins Gespräch gebracht hatte. "Es kann die Situation entstehen, in der Deutschland der Türkei helfen muss - unabhängig von den politischen Auseinandersetzungen mit Präsident Erdogan", sagte Nahles den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Die Türkei ist ein Nato-Partner, der uns nicht egal sein kann. Es ist in unser aller Interesse, dass die Türkei wirtschaftlich stabil bleibt und die Währungsturbulenzen eingedämmt werden."
Den für September geplanten Staatsbesuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Deutschland nannte Nahles richtig. "Die Bundesregierung muss mit der Türkei auf allen Ebenen im Gespräch bleiben", sagte sie. "Es ist meine klare Erwartung an die Bundeskanzlerin, dass natürlich auch kritische Fragen angesprochen werden - hierzu gehört insbesondere das Festhalten und die Inhaftierung von deutschen Staatsangehörigen in der Türkei."
FDP fordert von Bundesregierung Offenlegung ihrer Pläne
Die FDP forderte die Bundesregierung dazu auf, mögliche Pläne für Finanzhilfen an die Türkei umgehend offenzulegen. „Die Bundesregierung muss erklären, ob und unter welchen Bedingungen Türkei-Hilfen geplant werden“, sagte der FDP-Außenexperte Alexander Graf Lambsdorff dieser Zeitung. Nahles’ Äußerungen seien „völlig unverständlich". Solange die bürgerlichen Freiheitsrechte von der türkischen Regierung unter Präsident Erdogan mit Füßen getreten würden und deutsche Staatsbürger in der Türkei zu Unrecht in Haft säßen, kämen Finanzhilfen überhaupt nicht infrage.
Ablehnend, wenn auch vorsichtiger, äußerte sich auch der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt (CDU). Zwar bestehe ein großes Interesse an der wirtschaftlichen Erholung der Türkei. Die Ursachen für die Wirtschafts- und Währungskrise lägen jedoch in unbedachten Äußerungen von Präsident Erdogan. „Sie haben Zweifel an der Unabhängigkeit der türkischen Zentralbank und der Rechtsstaatlichkeit genährt. Erdogan muss mit diesen Signalen aufhören und wieder Vertrauen in die rechtsstaatlichen Institutionen schaffen. Nur dann wird sich die Wirtschaft nachhaltig erholen können.“ Erdogan wird am 28. und 29. September zu einem Staatsbesuch in Berlin erwartet. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU hatte unlängst betont, eine prosperierende Türkei sei im deutschen Interesse.
Der Konflikt mit den USA um einen in der Türkei unter Hausarrest stehenden US-Pastor hat in den vergangenen Wochen zu einem massiven Kursverfall der Lira geführt. Am Freitag stuften die Rating-Agenturen Moody's und S&P die Kreditwürdigkeit des Landes noch tiefer in die Ramschzone. Erdogan warf den USA am Samstag vor, sein Land wirtschaftlich in die Knie zwingen zu wollen. (mit AFP, Reuters)