Debatte um "Hetzjagd" in Chemnitz: Grüne fordern Neustart des Verfassungsschutzes
Verfassungsschutzchef Maaßen steht nach Äußerungen zu Chemnitz in der Kritik. Die Grünen-Politiker Baerbock und Habeck fordern gar die Auflösung seiner Behörde.
Nach dem Wirbel um die Äußerungen von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen haben die Grünen eine Auflösung seiner Behörde und eine Neugründung als Amt zur Gefahrenerkennung und Spionageabwehr gefordert. Die Bundesregierung könne nicht die Augen davor verschließen, dass der Verfassungsschutz unter Maaßen "vor die Wand gefahren ist", erklärten die Parteivorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck am Samstag. Nun sei eine "klare Zäsur" notwendig.
"Der Verfassungsschutz braucht einen Neustart", forderten Baerbock und Habeck. Nötig sei ein personell und strukturell völlig neues "Bundesamt zur Gefahrenerkennung und Spionageabwehr", das klar abgegrenzt von polizeilichen Aufgaben arbeite.
"Um die Strukturen und Zusammenhänge demokratie- und menschenfeindlicher Bestrebungen wie Faschismus oder Islamismus zu beobachten und zu analysieren, braucht es daneben ein unabhängiges Institut zum Schutz der Verfassung", erklärte die beiden Parteivorsitzenden. Nur so ließen sich "die wiederkehrenden eklatanten Missstände im alten Verfassungsschutz beseitigen."
So habe es bezüglich der lange Zeit unentdeckten Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) ein "absolutes Versagen" der Sicherheitsbehörden gegeben, insbesondere des Verfassungsschutzes. Als Konsequenz habe die Bundesregierung einst eine fundamentale Reform der Verfassungsschutzbehörde angekündigt. "Doch stattdessen folgte ein weiteres Desaster: Nachweislich hat der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Maaßen, im Fall Anis Amri dem Parlament die Unwahrheit gesagt", erklärten Baerbock und Habeck.
Maaßen gefährde Vertrauen in staatliche Strukturen
Nun bediene Maaßen "mit unbelegten Behauptungen die Agenda der Rechtspopulisten", kritisierten die Grünen-Vorsitzenden. "Dabei soll der Verfassungsschutz unsere Verfassung schützen und nicht die Feinde der Verfassung." Doch genau diesen Eindruck erwecke Maaßen und gefährde damit das Vertrauen in staatliche Strukturen.
Maaßen hatte am Freitag die Echtheit eines Videos von einer möglichen Hetzjagd gegen Migranten in Zweifel gezogen. "Die Skepsis gegenüber den Medienberichten zu rechtsextremistischen Hetzjagden in Chemnitz wird von mir geteilt", sagte er der "Bild"-Zeitung. "Nach meiner vorsichtigen Bewertung sprechen gute Gründe dafür, dass es sich um eine gezielte Falschinformation handelt, um möglicherweise die Öffentlichkeit von dem Mord in Chemnitz abzulenken." Die Äußerungen sorgten quer durch die Parteien für Unmut gesorgt.
Weil zweifelt an Maaßens Eignung
Auch Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD) hat Zweifel an der Eignung des Chefs des Inlandsgeheimdienstes geäußert. Dass Maaßen an "Hetzjagden" auf Ausländer in Chemnitz zweifele und gezielte Falschinformationen vermute, ohne unverzüglich Beweise vorzulegen, sei irritierend. "Ansonsten schürt er mit solchen Äußerungen den Verdacht, dass er sich schützend vor Rechtsextreme stellt", sagte Weil. Er forderte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) auf, schnell für Klarheit zu sorgen.
Seehofer stellte sich hingegen hinter Maaßen und sagte, sein Informationsstand sei "identisch". Details nannte der Minister ebenfalls nicht. (AFP)
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